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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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wegfuhr?«
    Er dachte scharf nach, starrte auf meine Schuhe und zupfte an seinem Ohrläppchen. Er wirkte gebrechlich und begann mir leidzutun. Er war ein verhutzelter und freundlicher Mann, aber einsam in seinem Pförtnerhaus und vielleicht auch zu Hause.
    Nach einer Weile riss er sich zusammen. »Nu wo Sie’s erwähnen«, antwortete er mit klarer Stimme, »ich hab den Knall von ’ner Peitsche gehört. Dann Wiehern von ’nem Pferd, nur ’ne Minute, bevor ich das Stöhnen von ’nem Mann gehört hab, wissen’se, un’ dann hab ich ihn gefunden. Und ihn hier reingebracht.«
    »Warum haben Sie niemandem erzählt, dass Sie ihn reingebracht haben?«, versuchte ich freundlich zu fragen, doch ohne großen Erfolg.
    Er begann zu stottern. »Tut mir leid. Tut mir leid, ich wusst’ nich’, was ich tun sollte. Das war’n sterbender Mann, und ich hab … ihn nur gebracht. Billy von der Desinfektion hat geholfen, und wir ham keinen Doktor und keine Krankenschwester gesehn und wussten nich’, was wir tun sollten! Und ich bin rumgerannt und hab niemanden nich’ gefunden und hab immer an den armen Mann gedacht, der stirbt. Und dann bin ich zurück, und Sie waren da, und er war tot.«
    Der alte Mann hatte sein Bestes gegeben, um zu helfen, und ich benahm mich wie eine arrogante Rotznase. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Mr Osburn«, murmelte ich beschämt. Er stammelte eine unverständliche Antwort und schlurfte zurück in sein Pförtnerhaus.
    Bevor ich zu meinen Patienten zurückkehrte, bat ich eine Krankenschwester, die Leiche in den Anatomie-Hörsaal zu überführen und eine Vorlesung um vier Uhr für die Medizin- und Bakteriologie-Studenten anzukündigen.

    er Tote auf der Marmorplatte im Zentrum des Saales stach hervor wie ein wunder Bauchnabel. Dahinter in konzentrischen Wellen Reihen von Studenten. Eine Sitzreihe jeweils höher als die davor – ein Raum, der aufgebaut war wie eine umgedrehte halbrunde Pyramide. Die meisten Männer waren mir bekannt, und die paar Neuen in der ersten Reihe würden sich bald nach hinten drängen. Der Saal war gerammelt voll; Gemurmel und das Scharren von Füßen füllte die Luft.
    Ich hustete. Die meisten Gesichter drehten sich in meine Richtung. Diejenigen, die die Regeln kannten, stießen den Neuen, die gerade in Begriff waren, sich eine Zigarette oder Pfeife anzuzünden, den Ellenbogen in die Rippen. Das resultierende Gemurre verebbte schnell.
    »Meine Damen und Herren«, begann ich. Mein kleiner privater Witz. Nur männliche Studenten waren zugelassen, von männlichen Lehrern ganz zu schweigen. Im Saal wurde es still. Die Studenten befolgten die wenigen Regeln, die ich aufgestellt hatte: Kein Rauchen und kein Schwatzen oder man flog sofort raus. Dafür wussten sie, dass es in den nächsten anderthalb Stunden keine langweilige Minute geben würde.
    »Heute gegen Mittag wurde dieser Mann am Eingangstor gefunden. Er litt unter starken Muskelkrämpfen und konnte nicht laufen. Er wurde auf die Station für Infektionskrankheiten gebracht, wo er innerhalb von Minutenverstarb. Kann mir jemand etwas über die Todesursache erzählen?«
    Einer von den Neuen aus der ersten Reihe reckte sich und rief: »Tetanus!«
    Wie erwartet. Ich schüttelte den Kopf und grinste. »Hier könnten Sie falsch liegen.«
    Er machte ein langes Gesicht. »Bei allem Respekt, Dr. Kronberg …«
    »Das will ich hoffen, aber ich fürchte, Sie haben vergessen, sich vorzustellen.«
    »Ich heiße Wallace McFadin.«
    »Ein Schotte! Sehr schön! Ich mag Ihre Musik, Mr McFadin; spielen Sie gut Dudelsack?«
    »Äh … ich spiele überhaupt nicht Dudelsack.«
    »Aber Sie sind doch Schotte?«
    »Ja, das bin ich.« Sein Gesicht lief rot an.
    »Aber wenn Sie Schotte sind, wieso spielen Sie dann nicht Dudelsack?«
    »Nur weil ich Schotte bin, heißt das noch lange nicht, dass ich Dudelsack spiele!« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »Genau!«, rief ich und merkte, dass er nichts mehr begriff. »Tut mir leid, Mr McFadin, ich habe Sie zu Demonstrationszwecken benutzt. Wenn Sie einem Schotten begegnen, heißt das nicht automatisch, dass er Dudelsack spielt. Dasselbe gilt für unseren Unbekannten.« Ich zeigte auf die Leiche vor mir. »Er verstarb mit akuten Muskelkrämpfen am gesamten Körper. Alle typischen Tetanussymptome sind vorhanden, einschließlich des Teufelsgrinsens.«
    Ich berührte die kalte Wange des Mannes und fragte mich, wie viele meiner Studenten sich ekelten, wie viele Mitleid mit ihm hatten und

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