Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)
gehen, ich habe noch einiges in London zu erledigen. Darf ich Ihnen demnächst ein Telegramm schicken und Sie nach Cambridge einladen?«
»Ich wäre hocherfreut, Dr. Stark.«
Das ungute Gefühl breitete sich jetzt ungehindert in meinem Brustkorb aus. Ich musste unbedingt mit Holmes reden, dachte ich, während ich mir die Schulter rieb.
wei Stunden vor Verlassen des Guy’s bereitete ich eine kryptische Nachricht für Holmes vor: Wagst Du es, mit einer Sächsin zu tanzen? Acht Uhr, Wilson & Bow. Komm in Verkleidung. A. K. P. S. Habe einen Namen für Dich.
Zu Hause angekommen aß ich schnell ein Sandwich, griff mir die drei Laibe Brot und zwei Flaschen Brandy, die ich für heute Abend gekauft hatte, und ging hinüber in eines der Nachbargebäude. Wir wollten ein Fest feiern. Auch wenn ich noch nicht in der Lage war zu tanzen, konnte ich doch eine Weile die Musik und die Gesellschaft genießen.
Eine kleine Gruppe hatte sich bereits im Erdgeschoss eines alten Lagerhauses versammelt, und jeder steuerte ein wenig zu essen und zu trinken bei. Die Iren saßen auf Holzkisten an selbst gebauten Tischen. Dort stellte ich das Brot und den Brandy ab und merkte an, dass ich eventuell auf einen Schluck zurückkäme.
»Klar«, sagten sie einstimmig, alle mit einem breiten Grinsen im Gesicht, und kippten jeder ein Glas des frisch ergatterten Gesöffs hinunter. Dann begannen sie, ein wenig auf ihren beiden Geigen, dem Akkordeon und der Blechflöte herumzufiedeln und zu tuten. Belustigt dachte ich an das irische Sprichwort – »Was Butter und Whisky nicht kurieren, dafür gibt es keine Heilung« – und fragte mich, ob ich das als neue Form der Behandlung bei meinen Patienten ausprobieren sollte. Dann dachte ich daran, dass ich vielleicht keine Patienten mehr hätte, wenn ich mit Stark und seinen Kollegen zusammenarbeitete. Stattdessen hätte ich Versuchsobjekte.
Über fünfzig Leute waren versammelt. Es war immer noch sehr kalt, aber das Feuer in der Mitte der großen Halle und das Tanzen würden uns schon aufheizen. Die Musik setzte ganz plötzlich ein, und alle tanzten,klatschten, lachten und sangen. Als stünde man auf einem aktiven Vulkan. Trotz meiner Kopfverletzung und den schmerzenden Rippen amüsierte ich mich großartig. Dann entdeckte ich Garret – er lungerte in einer Ecke und beobachtete mich, bevor er sich einen Ruck gab und herüberkam.
»Anna«, sagte er nur. Er wirkte sehr ernst, und ich fragte mich, was wohl mit ihm los war.
»Garret«, sagte ich und lächelte ihn an.
»Lust auf einen Tanz?«
»Ich kann nicht«, sagte ich und rollte mit den Augen, was ich direkt bereute, als mir schwindelig wurde.
»Macht nix, wollt’ nur mit dir reden. Außerdem können wir ja langsam tanzen.« Er führte mich nach draußen, nahm meine Hand in die seine und legte mir die andere um die Taille. Dann tanzten wir gemächlich zu der schnellen irischen Musik, die aus der Halle nach draußen drang.
»Also, ich dacht’ so … also, ich dachte … dass«, er hielt inne, starrte auf seine Stiefel, reckte die Schultern und sagte: »Du hast mir gesagt, ich soll dich nie fragen, aber … ich dachte, scheiß drauf. Also … willst du meine Frau werden, Anna?«
Was mir komplett die Sprache verschlug.
Ich löste mich aus seiner Umarmung und antwortete leise: »Nein.«
»Weil ich ein verschissener Räuber bin?«
»Ich kenne dich nur als Dieb, Garret. Und, ja, das würde mich womöglich davon abhalten, wenn ich je daran dächte zu heiraten. Aber in meiner Vergangenheit und in meinem jetzigen Leben gibt es Dinge, die es mir unmöglich machen, die Frau von irgendjemandem zu werden.«
»Stimmt. Klar, du willst ja nur vögeln«, sagte er eisig.
Für einen kurzen Moment hätte ich ihm am liebsten eine gelangt, aber dann nahm ich seine Hände und sagte: »Du hast mir das Leben gerettet, und du bist mein bester Freund. Es tut mir so unendlich leid, Garret. Ich liebe dich auch, aber nicht so, wie eine Frau ihren Ehemann lieben sollte.«
»Das ist es also? Du wirst mir nie erzählen, wer du bist? Warum hast du dieses Ding in deiner Arzttasche?«
Mir wurde plötzlich verdammt heiß. »Ding?«
»Einen Pimmel an Strapsen, in deiner Arzttasche, Anna. Ich frag’ mich, warum du überhaupt eine Arzttasche hast? Du bist ’ne Krankenschwester; das erzählst du jedenfalls allen. Was machst du den ganzen Tag, Anna?« Er war zwei Schritte zurückgetreten und löste seine Hände von meinen. Der Abstand zwischen uns war mit einem Mal so
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