Teufelsherz (German Edition)
dass die Müdigkeit sie langsam, aber sicher in eine Art Dämmerzustand davontreiben ließ. Bis plötzlich die Frage aller Fragen kam:
»Was ist passiert, Ms Norvell?«
Emily öffnete verwirrt die Augen und blickte in das besorgte Gesicht des Direktors. Was passiert war? Eine gute Frage. Sie war auf dem Weg zu Will gewesen. Rutschige Fliesen. Diese Stimme. Ihr stockte der Atem. Gänseblümchen.
»Ich bin ausgerutscht«, brachte sie mit zitternder Stimme hervor. »Mehr weiß ich nicht.«
Mr Naruto nickte. »Sie haben uns allen einen ordentlichen Schrecken eingejagt«, sagte er und warf einen dankbaren Blick zu Will, der in seinen Augen ohnehin schon ein Held war.
Doch Emily konnte nicht mehr klar denken. Sie sah einfach nur durch ihn hindurch. Gänseblümchen. Die Wiese, eine Schaukel. Diese Stimme. Das war doch wohl ein schlechter Witz. Natürlich, sie hatte sich den Kopf gestoßen. Aber war die Stimme nicht schon vorher dagewesen?
»… ein paar Tage zur Beobachtung.«
Emily horchte auf. Es war ihr, als hätte sie das Wort »Krankenhaus« gehört, und sie spürte förmlich, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich – wenn denn da überhaupt Farbe gewesen war. Sie blickte an sich herunter und fühlte, wie ihr Herzschlag immer schneller wurde. Wo kam denn die Nadel an ihrem Handrücken her? Und was war das für ein lästiges Piepsen?
Krankenhaus?!
»Es geht mir gut!« Sie fuhr hoch, doch die Sanitäter ignorierten ihre anschwellende Panik und bugsierten sie auf die Trage, ehe sie realisieren konnte, was mit ihr geschah.
Doch dann begriff sie es: Sie war festgeschnallt! Gurte um sie herum! Sie konnte sich nicht bewegen! »Lasst mich los!«
»Es ist alles in Ordnung, Ms Norvell.«
Oh, wie sie diesen Tonfall hasste. Diesen sanften Ton, als würden sie mit einem verschreckten Reh sprechen. Lernte man den bei der Ausbildung zum Nadelstecher?
»Ich will nach Hause.«
Gütige braune Ärzteaugen sahen sie an. »Sie haben sich schwer den Kopf gestoßen, Ms Norvell. Und Sie hatten einen Atemstillstand. Wir werden Sie jetzt ins Krankenhaus bringen, um sicherzugehen, dass mit Ihnen alles in Ordnung ist.«
Hielt er sie etwa für blöd? War sie erst mal im Krankenhaus, würde sie da nicht mehr so schnell herauskommen. Dieses Spiel kannte sie zur Genüge. Sie würden an ihr Verantwortungsbewusstsein appellieren. Daran, dass sie ihrem eigenen Körper doch bestimmt keinen Schaden zufügen wollte. Dass es nur zu ihrem Besten sei. Nein, nicht mit ihr!
Die Tür in dem weißen, sterilen Raum wurde geschlossen. Emily lag in dem schmalen Krankenhausbett und starrte auf den grauen Griff, der über ihr baumelte, damit sie sich daran hochziehen könnte. Als würde sie es nicht alleine schaffen aufzustehen.
Wie sehr sie diesen Geruch hier drin hasste. Er machte sie ständig müde und irgendwie benommen. Mit Sicherheit wurde hier ein Betäubungsmittel in die Luft gesprüht. Das hatte sie sich schon damals bei ihren Besuchen bei Will gedacht. Sie musste nur einen Fuß in ein Krankenhaus setzen, und schon wurden ihre Augen schwer. Und jetzt saß sie hier fest. Für ein paar Tage zur Beobachtung. Sie könnte ebenso gut zu Hause beobachtet werden.
Da war ihre Mutter leider anderer Meinung. Sie war nur kurz dagewesen und schon wieder unterwegs, um die notwendigsten Sachen für diesen Aufenthalt von zu Hause zu holen. Emily hatte jedoch das Gefühl, dass ihre Mutter geradezu aus dem Krankenhaus geflüchtet war. Und sie konnte es ihr nicht verdenken. Ihre Mutter verband auch nicht unbedingt positive Erfahrungen mit diesen viereckigen Bauklötzen, und nachdem sie den Schock über ihren Unfall einigermaßen überwunden hatte, war sie auch schon fort gewesen.
»Willst du nicht doch zurück zur Schule gehen?«, fragte sie Will, der sie mit seinem Geklopfe auf den Fußboden beinahe in den Wahnsinn trieb. »Mr Alvaric wollte doch mit dir sprechen.«
»Ich bin für heute freigestellt, und ich bleibe hier. Ich kann morgen immer noch mit ihm reden.«
Emily sah wieder zur Decke hoch, während Will weiter im Takt mit seinen Schuhsohlen trippelte. Sie wollte ihn nicht wegschicken. Sie war froh, dass er bei ihr war, obwohl sie sich im Moment gerne mit Bleistift und Skizzenblock abgelenkt hätte. Sie musste unbedingt den Park mit der Schaukel zeichnen, ehe die Erinnerung daran verblasste.
»Ich dachte, du wärst tot.«
Verblüfft wandte sie ihren Kopf zur Seite. Will drehte seine Sonnenbrille in den zitternden Händen. »Wie ist das nur
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