Teufelsherz (German Edition)
noch im Pyjama war – genauso wie sie am Abend ins Bett gegangen war, obwohl sie sich im Traum ausgezogen hatte. Merkwürdig.
»Ihr geht schon so früh?«, fragte sie schließlich, weil ihr nichts Besseres einfiel. »Schon mal was von Schlaf gehört?«
»Es ist schon nach neun.«
»Was?« Emily nahm das Handy vom Ohr und blickte auf die Uhrzeit. Vorhin hatte sie überhaupt nicht darauf geachtet, da sie einfach angenommen hatte, es wäre noch viel zu früh zum Aufstehen. Die Zeit mit Damian war wie immer viel zu schnell vergangen. Sie hatte dort – wo auch immer »dort« war – ein völlig falsches Zeitgefühl. Irgendwann wollte sie Damian auch noch genauer danach fragen, aber immerhin wusste sie jetzt über seine Familie Bescheid, auch wenn die Wahrheit schlimmer war, als sie es sich jemals hätte ausmalen können.
Nachdem Emily die Einladung dankend abgelehnt und den beiden viel Spaß im Schwimmbad gewünscht hatte, ließ sie wie auch schon am Tag zuvor die Stunden einfach so verstreichen. Als sie nachmittags jedoch erneut einen Anruf von Will erhielt – diesmal war es tatsächlich er –, ließ sie sich dazu überreden nachzukommen, um sich im Schwimmbadcafé zu treffen. Ihre Malerei hatte sie ohnehin schändlichst vernachlässigt, denn auch wenn sie versucht hatte, die Bucht und den Wasserfall festzuhalten, war das Ergebnis immer gleich frustrierend gewesen.
An einem Tisch in der Nähe der Glaswand, durch die man das Becken und die herumhüpfenden Kinder beobachten konnte, fand sie Annie, die sie mal wieder an die Grinsekatze aus Alice im Wunderland erinnerte.
»Will hat ein paar Jungs aus dem Team getroffen«, begrüßte diese sie, wohl um weiteren Fragen Emilys zuvorzukommen. »Und da heißt es immer, Mädchen würden ständig nur herumstehen und tratschen. Aber er ist bestimmt gleich wieder da.«
»Aha.« Emily rutschte auf die Bank und nahm Annie gegenüber Platz. »Und wie war’s?«, fragte sie, obwohl sie das gar nicht sonderlich interessierte. Im Geiste zählte sie bereits die Stunden, ja sogar die Minuten bis zur Schlafenszeit. Vielleicht hätte sie den Tag doch besser mit Schwimmen verbracht – dann wäre sie zumindest früh müde gewesen.
»Was meinst du?«, fragte Annie zurück. »Diesen Tag oder den Tag gestern? Oder jede Minute, die ich bis jetzt mit ihm verbracht habe?«
»Du warst heute schon früh bei ihm.« Emily versuchte so gleichgültig wie möglich zu klingen, doch die Vorstellung, dass Will mit Annie schlief, war irgendwie grotesk.
»Ja, ich bin mit dem Roller zu ihm. War echt kalt, aber ich wollte nicht, dass er mich abholt, weil meine Eltern … nun ja, lassen wir das.« Ihre Augen leuchteten sofort wieder auf. »Oh Emily, ich sag dir: Der kann vielleicht küssen.«
»Ja, ich weiß«, antwortete sie nicht weniger verträumt, räusperte sich dann jedoch, da sie schon wieder, ohne es zu wollen, Träumen nachhing. »Ich meinte, ähm, das habe ich schon gehört«, fügte sie schnell hinzu und war froh, dass in diesem Moment die Kellnerin kam und ihre Bestellung aufnahm. Währenddessen schaffte Annie es, den düsteren Ausdruck von ihrem Gesicht zu vertreiben, den Emilys Worte bewirkt hatten.
Es war wohl nicht die beste Idee gewesen, die verliebte Freundin daran zu erinnern, dass Will schon andere Mädchen geküsst hatte. »Ihr seid jetzt also im Kuss-Stadium«, fuhr sie daher fort, um das Gespräch wieder auf für Annie erfreulichere Themen zu lenken. Doch zu ihrer Überraschung erzielte ihr Vorhaben nicht den gedachten Erfolg.
»Ja«, antwortete Annie bitter und strich sich ihre vom Föhnen wilde Mähne zurück. »Aber noch nicht bei der ›Brille ab‹-Phase. Ich meine, da überrede ich ihn, mit mir ins Schwimmbad zu gehen, weil ich dachte, hier lässt er sie endlich einmal weg, und was macht er? Nimmt sie selbst im Wasser nicht ab.«
»Hättest du eigentlich wissen müssen. Wir waren dieses Jahr auch schon mit der Schule hier.«
»Aber wieso macht er das? Ich dachte, ich wäre seine Freundin.«
»Gib ihm ein bisschen Zeit.«
»Wenn er mit dir zusammen ist, nimmt er sie doch auch ab, oder etwa nicht?«
»Ja, aber …«
»Na siehst du!«
»Aber das ist etwas anderes. Will und ich kennen uns schon ewig. Mich muss er nicht beeindrucken.«
Annie sah sie an, als hätte sie gerade Chinesisch gesprochen. »Was soll das denn heißen?«
»Dass du seine Freundin bist und ich nur … eine Freundin. Ein Kumpel.«
»Willst du etwa sagen, dass er glaubt, ohne Brille nicht …
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