Teufelsherz (German Edition)
von Mal zu Mal schlimmer. Am liebsten würde sie auf ewig in diesem Traum bleiben, denn die vielen Stunden des Wartens waren kaum noch auszuhalten.
Mit einem leisen Seufzen löste sie sich wieder von ihm, doch Damian wich nicht zurück. Stattdessen drückte er seine Stirn an ihre.
»Ich habe dich vermisst«, gestand er leise. Beide hielten die Augen geschlossen und atmeten den Duft des anderen ein, ehe seine Lippen erneut ihre fanden.
Seine Worte klangen ebenfalls von Mal zu Mal melancholischer. Oder bildete sie sich das nur ein? Wieso waren diese zärtlichen Küsse stets von solch intensiver Traurigkeit begleitet, von einer Traurigkeit, die ihr im Herzen wehtat?
»Damian.« Diesmal drückte sie ihn mit der Hand ein Stück von sich fort. Auch seine Augen sahen sie kaum noch mit diesem herausfordernden Blitzen an. Sie machte sich wirklich Sorgen. »Ich weiß, dass es das Letzte ist, was ein Junge von einem Mädchen gefragt werden will«, sagte sie auf die Gefahr hin, den Schatten noch dunkler werden zu lassen, »aber … was denkst du gerade?«
Damian sah sie einige Momente lang schweigend an. »Nichts«, sagte er schließlich. »Ein paar Augenblicke, in denen ich nichts denke, doch ich …« Er hielt inne und fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. »Doch ich habe … Angst .«
Emily nickte langsam. Sie war nicht überrascht. Die Angst war deutlich zu spüren – in einer Intensität, als wären es ihre eigenen Gefühle. Vielleicht lag es an dem Traum, daran, dass nur ihr Unterbewusstsein hier war, vielleicht auch daran, dass er ihr Schutzengel war und sie dadurch irgendwie verbunden waren. Der Grund war nicht wichtig.
»Du wirst mir nicht sagen, warum du Angst hast«, sagte sie. Es war eine Feststellung, keine Frage, denn um das zu wissen, brauchte sie ihn nur anzusehen. »Dich umgibt ein Geheimnis, und es geht um weit mehr als das Schicksal deiner Eltern.«
Diesmal war er es, der nickte, und Emily beschloss, es vorerst dabei bewenden zu lassen. Er hatte ihr bereits viel anvertraut, und sie wollte ihn nicht drängen. So wie sie Annie geraten hatte, Will mit seiner Brille Zeit zu geben, musste sie selbst ebenso geduldig sein. Schließlich hatten sie alle Zeit der Welt.
»Was wünschst du dir tagsüber am meisten?« Damian riss sie aus ihren Gedanken. »Außer bei mir zu sein natürlich«, fügte er augenzwinkernd hinzu, als hätte dieses Gespräch soeben niemals stattgefunden. Die düsteren Gedanken schienen einfach fortgeweht zu sein.
»Ich …« Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie dadurch wieder klarer denken. »Ich weiß es nicht. Eigentlich wünsche ich mir nichts.«
»Aber was würde dir Freude bereiten?«
»Damian, ich weiß es wirklich nicht.« Sie konnte nicht so schnell umschalten. »Was soll das jetzt?«
»Schnee!« Er sprang auf und zog sie mit sich hoch, sodass sie gegen seine Brust fiel. Im nächsten Moment legte er behutsam die Hand an ihr Kinn, damit sie nach oben blickte. »Sieh mal«, sagte er fröhlich. »Du wünschst dir Schnee – ich lasse es schneien.« Er drehte ihren Kopf wieder zu sich und suchte ihren Blick. Verwirrt sah sie in die grünen Augen. »Ich kann dir alles geben, Emily«, sagte er so eindringlich, als wollte er sie hypnotisieren. »Alles! Jeden Wunsch werde ich dir von den Augen ablesen.«
Emily öffnete den Mund zu einer Antwort, da landete auch schon die erste Schneeflocke auf ihrer Nase. Verblüfft blickte sie hoch und beobachtete mit großen Augen, wie sich der Himmel verdunkelte. Die Sonne verschwand, und ein schwarzes Tuch legte sich über diese Welt. Immer dichter fiel der weiß glitzernde Schnee und hüllte sie in ein magisch silbernes Licht.
»Das ist nicht echt«, flüsterte sie staunend. »Das kann nicht echt sein.«
»Es ist echt.« Damian legte wieder seine Hände auf ihre Schultern. »Genauso wie die Bucht echt war. Ich habe sie für dich geschaffen. Ich kann dir alles geben.«
Emily wandte sich ihm wieder zu. »Ich glaube, ich habe schon einmal die Vermutung geäußert, dass du kein gewöhnlicher Engel bist, oder?«, fragte sie und konnte doch immer nur verzückt die tanzenden Schneeflocken beobachten, die allmählich das dunkle Gras bedeckten. Es war wie in einem Märchen. Von einem Augenblick zum anderen wurde es Nacht, und die sommerliche Landschaft verwandelte sich in ein Winterparadies, jedoch ohne dass sie fror.
»Wer ist schon gewöhnlich?«, antwortete Damian schulterzuckend und streckte seine Hand nach den Schneeflocken aus. Sie
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