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Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)

Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)

Titel: Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W.A. Hary
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ganz, aus dieser Frau klug zu werden. Hatte sie eben noch den Eindruck eines zitternden Nervenbündels gemacht, so erschien sie jetzt auf einmal wieder ruhig und gefaßt. Eine Gemütsänderung innerhalb von wenigen Sekunden! War das alles echt oder bezweckte sie damit etwas? Ich hatte ihr doch schon zugesagt, ihr behilflich zu sein. Genügte ihr denn das immer noch nicht?
    Sie schaute mich flehentlich an. „Ich beschwöre Sie, Mr. Tate, lassen Sie mich nicht allein von Bord gehen! Mit jeder Meile, die wir uns London nähern, verstärkt es sich. Edgar weiß, daß ich komme. Dazu braucht er nicht einmal magische Fähigkeiten. Es gibt ja schließlich Passagierlisten. Er hatte genügend Zeit, herauszufinden, welchen Fluchtweg ich gewählt habe. Er erwartet mich schon längere Zeit. Ich deute dieses Gefühl in mir als eine erste Kontaktaufnahme. Noch hat er keinen Einfluß auf mich, aber ich bin sicher, daß er ihn bekommt, sobald er in meiner Nähe ist.“
    Während sie gesprochen hatte, war ich zum eingebauten Schrank gegangen. Diesem entnahm ich ein kleines Köfferchen. Ich stellte es auf den Tisch und ließ die Verschlüsse aufschnappen. Mein Blick kreuzte sich mit dem von May Harris. Verständnislos hatte sie mein Tun beobachtet.
    Wieder versuchte sie es, mich zu beschwören: „Bitte, Mr. Tate, bleiben Sie in meiner Nähe! Es reicht einfach nicht, wenn Sie im Hintergrund bleiben. Sagen Sie mir Ihren Preis. Ich werde alles bezahlen, was Sie von mir verlangen.“
    Ich hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Der Deckel des kleinen Köfferchens klappte auf. Ich hatte ihn nicht zu packen brauchen. Diesen hier nicht. Er war schon vorher fertig gewesen. Das Köfferchen war so plaziert, daß May nicht hineinsehen konnte. Sie glaubte, bei mir auf taube Ohren zu stoßen, deshalb begann sie jetzt zu weinen. Das war bestimmt keine Schau mehr. Es war deutlich, daß sie sich vergeblich bemühte, diese Tränen zurückzuhalten. Nein, diese Frau war verzweifelt, und wenn sie mal nach außenhin ruhig und gefaßt wirkte, dann war das nur Fassade. In ihrem Innern sah es dabei völlig anders aus.
    Ich griff in das Köfferchen. Meine Rechte schloß sich um einen bestimmten Gegenstand, der sich unter anderen darin befand. „Sie glauben also wirklich, daß der Untote die Fähigkeiten hat, mit Ihnen über diese Entfernung eine Verbindung einzutreten?“ fragte ich im Plauderton und zog meine Rechte aus dem Köfferchen. Der Deckel klappte zu. Ich kam um den Tisch herum.
    May betrachtete mich verständnislos. „Mißtrauen Sie mir etwa?“ Sie konnte das offenbar nicht fassen. „Meinen Sie, ich mache Ihnen was vor? Ich habe Edgar ganz deutlich gespürt, und ich bin der Meinung, daß er auch jetzt noch...“ Sie brach ab.
    Ich blieb zwei Schritte vor ihr stehen. Mit ihren locker herunterfallenden Haaren sah sie blendend aus. Jetzt brauchte sie sich nur noch dezent zu schminken... Die Brille störte mich nicht.
    Ich unterbrach diese Gedankengänge, denn sie paßten nun wirklich nicht hierher. Begann ich denn, persönliche Gefühle für diese Frau zu entwickeln? Nein, das konnte und durfte ich mir nicht leisten! Blitzschnell zuckte meine Rechte vor. Der kleine Gegenstand verließ die Hand und flog durch die Luft auf May Harris zu.
    Unwillkürlich fing May Harris diesen Gegenstand auf. Doch kaum hatten sich ihre Hände um das Ding geschlossen, als es aussah, als würde jemand von innen gegen ihre Augen drücken. Sie weiteten sich entsetzt. Qualm kräuselte zwischen ihren Fingern hervor. Sie wollte das Ding wieder fallenlassen, das sie unwillkürlich aufgefangen hatte, aber es gelang ihr nicht. Ihre Hände blieben geschlossen, als wären sie fest miteinander verschweißt.
    Ich hielt mich zurück. Ich griff auch nicht ein, als May Harris einen wahrhaft tierischen Schrei ausstieß. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stierte sie auf ihre Hände. Abermals schrie sie. Der Laut verebbte allerdings zu einem Röcheln. Sie preßte die Hände gegen ihre Brust. Aber genau das war ein Fehler: Der Stoff ihres Kleides löste sich in einer Stichflamme auf, dort, wo die Hände ihn berührten, und die Hände verwuchsen mit der nackten Haut zwischen ihren Brüsten. In ihren Händen wurde es jetzt so heiß, daß sie zu glühen begannen. Eigentlich hätten sie dabei verbrennen müssen, aber nichts dergleichen geschah. May wankte unter dem rasenden Schmerz. Sie drohte, zusammenzubrechen. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht war grauweiß.
    Ich half ihr nicht. Ich blieb, wo ich war.

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