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Teufelsjagd

Teufelsjagd

Titel: Teufelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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geschlossenen Augen und offenem Mund gegen einen Pfeiler. Er hatte sich immer noch nicht vom Gelage des Vorabends erholt. Ranulf saß in der Hocke und hielt die Augen ebenfalls geschlossen. Corbett fragte sich, zu welchem Gott sein Diener wohl betete. Ranulf äußerte sich nie über die Religion, nahm aber pflichtschuldig an der Messe und am Sakrament teil, ohne beides weiter zu kommentieren. Corbett betrachtete die Wände der Kapelle. Die Wandgemälde, auf denen Jagdszenen dargestellt waren, interessierten ihn. Links jagten Teufel mit riesigen Netzen Seelen in einem mythologischen Wald. Über ihnen schwebten Engel, die mit gezogenen Schwertern die Gerechten aus ihren Schlingen zu befreien suchten. Auf die andere Wand hatte der Künstler in grellen Farben und mit energischen Pinselstrichen eine Welt gemalt, in der alles auf den Kopf gestellt war. Hier war der Hase der Jäger und der Mensch die Beute. Besonders der Hase mit seinem rotbraunen Fell und seinem weißen Bauch, der auf den Hinterbeinen ging und ein Netz mit den Seelen der Verdammten über der Schulter trug, hatte es Corbett angetan. Nach dem Ende der Messe befragte Corbett Pater Vincent. »Unsere Wandgemälde gefallen Euch also?« Der Priester lächelte und zog seine Kasel aus. Er faltete sie ordentlich zusammen, ehe er sie auf die Stufen des Altars legte.
    »Ja, sie sind sehr speziell«, antwortete Corbett.
    »Ich habe sie alle selbst gemalt«, erwiderte Pater Vincent stolz. »Ich fürchte, daß ich kein sonderlich guter Maler bin, aber in meiner Jugend war ich Jäger, ich stand in Woodstock als Forstmeister in den Diensten des Königs.« Jetzt hatte der Priester sämtliche Meßgewänder abgelegt und löschte die Kerzen auf dem Seitenaltar. »Ihr seid also der Bevollmächtigte des Königs?« fragte er. »In letzter Zeit habe ich so viele Besucher. Aber Ihr seid sicher nicht gekommen, um meine Gemälde zu bewundern, sondern um mich nach dem armen Passerel zu fragen, oder?«
    Der Priester führte sie die Stufen hinunter und deutete auf den Durchgang durch den Lettner.
    »Hier ist der Arme zu Boden gegangen. Da war er schon mausetot! Sein Gesicht war geschwollen, und sein Körper zuckte ein letztes Mal.« Er tippte Corbett auf die Schulter und zeigte auf Maltote. »Er kann auf einem der Hocker sitzen, wenn er das will. Er sieht aus, als wäre er noch nicht ganz wach.«
    Maltote gehorchte freudig, und Pater Vincent ging mit Ranulf und Corbett aus dem Raum vor dem Hochaltar und trat dahinter.
    »Hier ließ ich Passerel zurück. Ich gab ihm einen Krug mit Wein und einen Teller mit Essen, nachdem er bei mir um Schutz nachgesucht hatte. Er sagte nicht viel, also ließ ich ihn allein. Den Studenten, die ihn hierher verfolgt hatten, drohte ich, sie zu exkommunizieren, wenn sie den Gottesacker nicht sofort räumen würden. Ich ließ die Seitentür offenstehen und ging zu Bett.«
    »Bleibt wach!« rief eine Stimme. »Bleibt wach, und seid bereit! Der Satan ist ein brüllender Löwe, der jemanden sucht, den er verschlingen kann!«
    Ranulf warf sich mit der Hand auf dem Dolch herum, als er die Stimme hörte, die wie eine große Glocke in der Kirche widerhallte.
    »Das ist Magdalena, unsere Anachoretin«, entschuldigte sich Pater Vincent.
    Corbett starrte auf den seltsamen Verschlag über dem Hauptportal. Er erinnerte ihn an das Vogelhaus, das Maeve im Winter immer in einen Baum hängte, damit die Vögel irgendwo etwas zu fressen finden würden.
    »Ihr wißt nichts über den Mord an Passerel?« fragte er. »Nein, überhaupt nichts.«
    »Hätte Euch Magdalena nicht Bescheid sagen müssen?«
    »Oh, die ist halb verrückt«, flüsterte Pater Vincent. »Wie schon erwähnt, ich habe Passerel etwas zu essen gegeben und mich dann für die Nacht zurückgezogen. Die Seitentür blieb offen, damit er nach draußen konnte, um sich zu erleichtern, falls er das wollte.«
    »Und er hat nichts zu Euch gesagt«, beharrte Corbett, »nichts, was seine plötzliche Flucht aus Sparrow Hall erklären könnte?«
    »Nein, er war ein verängstigter kleiner Mann«, antwortete Pater Vincent, »der mit schwacher Stimme seine Unschuld beteuerte.«
    Corbett schaute über die Schulter. Ranulf war gerade dabei, Maltote wachzurütteln.
    »Maltote!« befahl er. »Geh nach Sparrow Hall zurück und warte dort auf uns!«
    Maltote mußte sich das nicht zweimal sagen lassen. Er trottete durch die Kirche und verließ sie durch das Hauptportal.
    »Ich würde diese Anachoretin gerne kennenlernen«, sagte Corbett.

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