Teufelsjagd
»Wenn ich das richtig verstanden habe, hat sie nicht nur Passerels Mörder gesehen, sondern auch vor vielen Jahren den Gründer von Sparrow Hall, Sir Henry Braose, verflucht?«
»Ah, Ihr habt diese Geschichten also schon gehört?« Pater Vincent führte sie durch die Kirche und blieb vor dem Verschlag der Anachoretin stehen.
»Magdalena!« rief der Priester nach oben. »Magdalena, wir haben Abgesandte des Königs zu Besuch! Sie wollen mit dir sprechen.«
»Ich bin hier«, erwiderte die Stimme, »im Dienste des Königs aller Könige!«
»Magdalena!« rief Corbett. »Ich bin Sir Hugh Corbett, der Bevollmächtigte des Königs. Ich will Euch nichts Böses. Ich muß Euch ein paar Fragen stellen, aber ich möchte Euch nicht in Eurer Zelle stören. Bevor ich gehe, möchte ich eine Stiftung machen, damit Ihr Kerzen entzünden und für meine Seele beten könnt.«
Corbett bemerkte, wie der lederne Vorhang des kleinen Fensters ein wenig beiseite gezogen wurde. Dann sah er eine grauhaarige, in Lumpen gehüllte Gestalt einen schmalen Balkon entlanggehen und hörte schließlich Sandalen auf Steinstufen. Magdalena kam langsam auf sie zu. Sie ging stark vornübergebeugt, und ihr schmutzigweißes Haar reichte ihr fast bis zur Taille. Ihre Augen glänzten, aber noch auffälliger war, wie sie sich das Gesicht bemalt hatte: Die rechte Wange war schwarz, die linke weiß. In der Hand hielt sie einen zersprungenen Taschenspiegel. Schlurfend ging sie auf einen Pfeiler zu und setzte sich auf seinen Sockel. Sie starrte in den Spiegel und faßte gleichzeitig mit ihren knochigen Fingern nach einem primitiven Rosenkranz, den sie um das rechte Handgelenk geschlungen hatte. Ihre Lippen bewegten sich lautlos im Gebet. Sie schaute auf und ließ ihre hellen, durchdringenden Augen auf Corbett ruhen.
»Nun, Bevollmächtigter mit dem dunklen Gesicht? Was wollt Ihr von der armen Magdalena?« Ihr Blick wanderte zu Ranulf. »Ihr und Euer Kämpfer. Warum stört Ihr meine Stille?«
»Weil Ihr Dinge seht.« Corbett kniete sich neben sie und zog eine Silbermünze aus seinem Beutel.
»Magdalena sieht viel im Dunkel der Nacht«, sagte sie. »Ich habe Dämonen gesehen, die die Hölle ausgespuckt hatte, und der Ruhm Gottes hat das Allerheiligste erleuchtet. Vor den Augen Gottes bin ich nur eine arme Sünderin.« Sie schlug sich mit dem Spiegel gegen ihr Gesicht. »Früher war ich schön. Jetzt bemale ich mein Gesicht schwarz und weiß und habe immer den Spiegel zur Hand. Schwarz ist die Farbe des Todes. Weiß ist die Farbe meines Leichentuchs.«
»Und was seht Ihr sonst noch?« fragte sie Corbett. Er deutete auf ihre Zelle. »Ihr kniet oberhalb des Hauptportals. Habt Ihr den Bellman gesehen?«
»Ich habe ihn gehört«, antwortete sie. »In der Nacht, in der er seine Proklamation an die Tür geheftet hat. Sein Atem ging schwer, und er schnappte nach Luft. Das, sagte ich mir, ist ein Mann, der von seinen Dämonen verfolgt wird! Aber das ist recht so«, fuhr sie in einem Singsang fort. »Sparrow Hall ist verflucht. Auf Sand gebaut.« Ihre Stimme wurde schrill. »Die Regen werden fallen, und die Winde werden wehen! Das Haus wird untergehen, und sein Fall wird tief sein!«
»Was für ein Fluch?« fragte Corbett.
»Vor Jahren, Mann mit dem dunklen Gesicht.« Sie berührte Corbett an der Seite des Mundes. »Eure Augen sind verschleiert und sanft. Ihr solltet nicht bei mir sein, sondern bei Eurer Frau und Eurem Kind.« Sie bemerkte die Überraschung in Corbetts Augen. »Ich kann sehen, daß Ihr ein Herzensbrecher seid«, fuhr sie fort. »Mein Mann sah so aus wie Ihr. Ein prächtiger Mann. Er hat für den großen de Montfort gekämpft und kam nie wieder. Sein Leichnam wurde in Stücke gehackt wie die Fleischbrocken in der Auslage eines Metzgers. Ich und mein Junge blieben zurück. Wir lebten im Keller und in den Gängen, im Dunkeln, aber in Sicherheit.« Sie spuckte leicht beim Sprechen, und ihr Rosenkranz schlug gegen ihren Spiegel. »Aber dann kam dieser Braose. Er war arrogant und hielt seinen Kopf, als wäre der etwas Heiliges. Er und diese wunderschöne Schlampe, seine Schwester! Sie warfen mich auf die Straße! Mein Kind starb, und ich verfluchte sie!« Magdalena klapperte mit den Perlen ihres Rosenkranzes. »Jetzt kommt der Bellman und kündet von Tod und Zerstörung.«
»Aber Ihr wißt nicht, wer der Bellman ist?« fragte Corbett. »Ein Dämon aus der Hölle! Ein Kobold, der noch nicht alles ausgerichtet hat!«
»Und Ihr habt gesehen, wie der arme
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