Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
vier mit einem allseits bekannten irischen Trinklied los, das durch seine einfache Akkordfolge leicht zu begleiten war. Der eingängige Refrain lud die Zuhörer sofort zum Mitsingen ein.
Natürlich mussten noch ein paar weitere Lieder folgen, allesamt begeistert gefeiert, ehe Walter sich und die Mitspieler verabschiedete. Für die meisten Gäste war es das Zeichen nachzusehen, ob man beim Buffet noch etwas Schmackhaftes übersehen hatte.
»Wir sollten das öfter machen«, meinte Michael, während er seinen Bogen entspannte und die Geige einpackte. »Wenn wir erst mal richtig üben würden … «
»Das wäre mein schönstes Geburtstagsgeschenk«, strahlte Walter, der gerade seinen Notenständer zusammenklappte. »Eine irische Band!« Er legte seine Gitarre in den Koffer zurück und schloss den Deckel. »Was meinst du, Lothar, das könnte doch Spaß machen!«
Kaltenbach gab keine Antwort. Sein Gesicht war wie versteinert.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, lachte Michael. »Wir könnten doch gleich mal einen Termin machen!«
Doch Kaltenbach hörte ihn nicht. Er starrte auf den Deckel von Walters Gitarrenkoffer, der mit einigen bunten Aufklebern verziert war. Neben einer irischen Miniflagge, einer Reproduktion eines gälischen Ortsschildes und einer Guinness-Harfe prangte groß und deutlich das Sonnensymbol, das ihn seit Tagen beschäftigte. Walter hatte das Bild einer Triskele aufgeklebt.
»Was – woher hast du das?«, fragte er und deutete auf das Bild.
»Ich habe gar nicht gewusst, dass du dich für keltische Symbole interessierst.«
»Keltische Symbole?«
»Gefällt es dir? Hat mir ein Freund vom Urlaub mitgebracht. Der war letztes Jahr mit der Familie drüben. Fahrradferien.«
Michael grinste. »Das wäre doch auch mal was für dich«, meinte er und stupfte mit dem Finger auf Walters nicht zu übersehenden Rettungsring, der sich über seinen Gürtel wölbte.
Walter verzog das Gesicht. »Kein Sport. Das fehlt grade noch, nachdem ich es 60 Jahre ohne geschafft habe.«
»Weißt du, was es bedeutet?«, fragte Kaltenbach dazwischen.
»Ein mythologisches Zeichen. Wie vieles, was aus Irland kommt. Es hat mit der Sonne zu tun. Warum willst du das wissen?«
Ehe Kaltenbach antworten konnte, kamen Dieter und seine Gesprächspartnerin dazu. »Das war ja richtig toll, wie ihr gespielt habt! Ihr werdet noch berühmt, das sage ich euch!« Er hob sein Glas. »Auf euren Erfolg!«
Walter klopfte Kaltenbach auf die Schulter. »Michael hat recht. Wie wäre es, wenn wir uns nächste Woche treffen?«
»Nächstes Wochenende könnte ich«, meinte Michael. »Ihr könnt zu mir kommen.«
Auch Kaltenbach ließ sich jetzt anstecken. »Warum nicht? Das machen wir.«
Dieter hob erneut sein Glas. »Schöne Frau, du hast soeben die Geburt einer neuen deutschen Supergruppe erlebt. Darauf müssen wir anstoßen.«
Unter Gläserklingen und Gelächter mischten sie sich wieder unter die Gäste. Dafür kam Klaus Riether, ein gemeinsamer Freund und Winzer aus Müllheim, und nahm Kaltenbach zur Seite. »Erzähl doch mal vom neuen Weinjahrgang. Bei uns im Markgräflerland gibt’s ein paar tolle Sachen in diesem Jahr!«
Kaltenbach sah ein, dass er an diesem Abend nichts mehr über die Triskele erfahren würde. Doch er nahm sich vor, Walter zu fragen, sobald es ging.
Als Kaltenbach gegen ein Uhr nachts nach Hause kam, war er hundemüde. Es war ein gelungener Abend gewesen, wie er fand. Er hatte lange nicht mit anderen zusammen Musik gemacht, anders als in seiner Freiburger Zeit, wo es oft Sessions bis tief in die Nacht hinein gab. Damals war es pures Vergnügen gewesen, es kam, wie es sich ergab, und keiner wäre auf die Idee gekommen, eine feste Gruppe zu gründen oder gar zu proben. Doch Walters Begeisterung war ansteckend. Er konnte es ja einmal versuchen.
Im Hausflur sah er das rote Lämpchen des Anrufbeantworters blinken. Kaltenbach ignorierte es und steuerte stattdessen als erstes den Kühlschrank an. Ein schöner kühler Apfelsaft, das war es, was er jetzt gegen seinen Brand brauchte. Er setzte die Flasche an und trank in gierigen Zügen. Morgen würde er Walter zu der Triskele befragen. Ein Zeichen aus Irland!
Er knipste das Licht in der Küche aus und nahm die halb volle Flasche mit. Er freute sich auf sein Bett, er freute sich auf das Ausschlafen am Sonntag. Zuvor ging er noch einmal zum Telefon und drückte auf die Wiedergabetaste.
›Hallo, Herr Kaltenbach. Schade, dass Sie nicht da sind.‹
Es war die Stimme, die
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