Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
irisch-keltischen Kulturbereich. Aber ich bin ja nur Laie«, fügte er entschuldigend hinzu, als er Kaltenbachs enttäuschtes Gesicht sah. »Gehen Sie doch mal nach Breisach oder ins Badische Landesmuseum nach Karlsruhe. Das Grab des Keltenfürsten von Hochdorf … «
»Nein, nein«, unterbrach ihn Kaltenbach, »ich interessiere mich ausschließlich für das, was es hier gibt.« Er dachte an die ganzen Fluss- und Bergnamen, von denen Walter erzählt hatte. »Gibt es nichts, was man zum Beispiel am Kandel gefunden hat, oder am Belchen?«
Geiger strahlte. »Der Glänzende! Und der Berg des Sonnengottes! Ich sehe, Sie kennen sich ja doch ein wenig aus«, lobte er Kaltenbach höflich. »Aber von dort sind keine Funde bekannt. Jedenfalls nichts, was archäologisch verwertbar wäre.« Er seufzte. »Leider. Außer dem Belchendreieck vielleicht, aber das kennen Sie ja sicher.« Er wiegte den Kopf und legte seine Stirn in Falten. »Am besten fragen Sie doch gleich Professor Oberberger, der kann ihnen bestimmt weiterhelfen.«
Kaltenbach wurde aufmerksam. »Professor Oberberger aus Waldkirch?« Das war der Name, den ihm Walter genannt hatte, der Professor, mit dem er für übermorgen ein Treffen vereinbart hatte.
»Sie kennen ihn?«, freute sich Geiger. »Ich war selbst schon ein paar Mal bei ihm. Ein netter Mensch. Kein abgehobener Akademiker. Außerdem hat er die wertvollste Privatsammlung keltischer Objekte weit und breit, auf die er mächtig stolz ist. Vor allem auf den Großen Torques, den stärksten, den es in Deutschland gibt.«
Um sich nicht als vollständigen Laien zu verraten, verzichtete Kaltenbach darauf nachzufragen, was ein ›Großer Torques‹ sei. Er ließ sich stattdessen den Weg zur Wohnung des Professors beschreiben, die ihm Geiger auf einen der Museumsprospekte skizzierte. Als er seine Jacke wieder anzog, kam ihm eine Idee. Er kramte den Umschlag mit den Fotos des Hageren hervor und zeigte sie Geiger.
»Kennen Sie diesen Mann? War der schon einmal hier im Museum?«
Geiger nahm eines der Bilder, hielt es auf Armlänge vor sich und studierte es sorgfältig. Ebenso verfuhr er mit den anderen beiden. Dann reichte er sie Kaltenbach zurück.
»Ein interessantes Profil, sicher ein interessanter Mensch.« Er schob seine Brille zurück auf den Nasenrücken. »Aber ich kenne den Herrn nicht. Tut mir leid.«
Dienstag, 6. März, abends
Das Wasser war warm und wohlig. Kaltenbach streckte Arme und Beine aus so weit es ging und spürte mit großer Zufriedenheit, wie das Leben in seine Gelenke zurückkroch. Natürlich wäre es heute morgen vernünftiger gewesen, mit dem Auto zu fahren. Zumindest mit dem Zug. Doch die Vespa hatte aus seiner Sicht nur Vorteile. Er war stolz auf seine 125er aus dem Hause Piaggio, silbern, mit stahlgrauem Polster und runder Gepäckbox, auf der deutlich sichtbar ein gelbroter Aufkleber mit dem Wappen des ›Großherzogthum Baden‹ prangte. Kaltenbachs bescheidener Beitrag zur Antiglobalisierung, wie er es nannte.
Mit der Vespa war er in 20 Minuten in der Freiburger Innenstadt. Ohne Parkstress, ohne die horrenden Parkgebühren. Einen großen Nachteil gab es: die Kälte.
Die weitere Recherche in Freiburg war wenig ergiebig gewesen. In den großen Buchhandlungen in der Kajo gab es entweder Spezialliteratur, die er nicht verstand, oder einige überteuerte Bildbände. Die Stadtbibliothek stellte gerade auf ein neues Leihsystem um und organisierte bei der Gelegenheit ihre Bestände neu, sodass er nur mit Mühe etwas fand. Außerdem hätte er zuerst einen Leseausweis beantragen müssen, um die Bücher mitnehmen zu dürfen. Da konnte er genauso gut Walter fragen.
Kaltenbach verteilte ein paar Tropfen Lavendelmilch im Badewasser und lehnte sich entspannt zurück. Es war seltsam. Noch vor ein paar Tagen entsprach sein Wissensstand über die Kelten der Schulklasse im Colombi. Doch das kleine Schmuckstück hatte vieles ausgelöst. Vieles, das er nicht verstand, was ihn aber auf eine merkwürdige Art faszinierte. Eine keltische Schwarzwaldgöttin! Uralte Namen von Flüssen und Bergen, denen er bisher keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Letzte verbliebene Zeugnisse eines Volkes, das hier gelebt hatte, als es noch kein Freiburg und kein Emmendingen gab.
Geiger hatte von einem ›Torques‹ gesprochen. War dies ein weiterer Gott? Ein Stammeshäuptling vielleicht? Und was hatte es mit dem Dreieck am Belchen auf sich? Das hörte sich nach einem merkwürdigen Ort an. Eine bestimmte Wegkreuzung
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