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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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schmalen Metallinstruments stiegen in einfachen, getragenen Bögen empor und zogen die melancholischen Schleier hinter sich her, die für die Musik von der Grünen Insel im Nordatlantik typisch waren.
    Kaltenbach kannte das Lied, das in den Freiburger Musikkellern zum Standardrepertoire eines Künstlers gehört hatte, noch aus seinen Studententagen.
    »I will build my love a castle … «
    Walter strahlte, als sie nach der dritten Wiederholung den Schlussakkord schlugen. »Das hört sich doch schon ganz brauchbar an.« Als Gastgeber hatte er es sich nicht nehmen lassen, einen Kasten Bier zu spendieren, dessen Inhalt seit dem Nachmittag im Kühlschrank wartete. Seine Begeisterung war in keiner Weise geschmälert durch den Umstand, dass sie nur in kleiner Besetzung waren. Markus und Andrea hatten sich entschuldigt, für beide war der Termin zu kurzfristig. Walter hatte trotzdem darauf bestanden, dass sie einen Anfang machen sollten.
    »Ich habe etwas vorbereitet«, sagte er, nachdem sie sich zugeprostet und die ersten Schlucke genommen hatten. Er kramte in einem dicken Büroordner. Kurz darauf lagen fünf kleine Stapel vor ihm auf dem Teppich. »Für jeden einen.« Er drückte Michael und Kaltenbach Noten und Texte in die Hand, die er aus verschiedenen Sammlungen herauskopiert hatte. »Ich hab mal einiges ausgesucht, was ich gut finde. Ist nicht schwierig.«
    Michael entdeckte sofort einige bekannte Stücke. »Da hat es aber ein paar deftige Reels dabei«, meinte er stirnrunzelnd. Kaltenbach wusste von früher, dass damit schnelle Instrumentalstücke gemeint waren, die meist mit Flöte oder Violine gespielt wurden.
    »Klar. Extra für dich«, lachte Walter. »Damit du was zum Schwitzen hast.«
    Kaltenbach stichelte hinterher. »Trink noch ein Bier, dann gehen die Finger leichter!«
    »Lästert ihr nur. Dafür müsst ihr singen!«
    Michael war ein guter Musiker, dessen Gesangskünste mit seinen instrumentalen Fähigkeiten nicht mithielten.
    »Du kriegst auch noch deine Strophen«, gab Walter zurück. Als Antwort zerrte Michael seinen Bogen schräg und heftig über die Geige und ließ ein Gewitter krächzend falscher Töne durch das Zimmer ziehen.
    Kaltenbach verzog das Gesicht.
    »Irische Folter!« Michael grinste und schickte direkt ein weiteres kakofonisches Durcheinander hinterher. »Nur mit Whisky zu ertragen.«
    »Hab schon verstanden.« Walter stand auf und holte aus einem Schrank eine mit goldbrauner Flüssigkeit gefüllte Flasche hervor. Er schenkte ein und reichte jedem ein Glas. »Auf einen erträglichen Abend!«
    Er nahm einen kräftigen Schluck. Dann stellte er das Glas beiseite und legte das nächste Blatt auf seinen Notenständer.
    »Genug geflachst. Jetzt spiele ich euch eines meiner Lieblingslieder.«
    Er griff in die Saiten, setzte an zu singen, räusperte sich und begann noch einmal. Beim zweiten Anlauf fand er den richtigen Ton und legte los.
    »Walking all the day … «
    Es war eine der typischen langsamen Balladen, die Kaltenbach in der irischen Folklore fast noch lieber mochte als die schnellen Tanz- und Trinklieder. Wieder einmal war vom Meer die Rede, von steilen Klippen und rauen Felsen, aber auch vom ewig satten Grün der Wiesen und Felder, das der Insel ihren Namen gegeben hatte.
    »… and I sang a song for Ireland.« Die erste Strophe endete. Den Rest des Liedes sang Walter mit einer Inbrunst, die Kaltenbach bisher noch nie bei ihm erlebt hatte. Jetzt wurde ihm klar, dass dieser Musikabend für Walter mehr war als ein gemütliches Beisammensein mit Freunden.
    Als er geendet hatte, blieb es für einen Moment still im Zimmer.
    »Das war schön.«
    Der Abend verging schnell. Es war halb zwölf, als Regina zur Haustür hereinkam. Sie begrüßte alle herzlich, ließ sich eine Ballade vom traurigen Abschied eines irischen Auswanderers im 19. Jahrhundert vorspielen und verabschiedete sich in ihr Zimmer.
    »Ich lasse euch Männer mal lieber allein.«
    Kaltenbach hatte vier Flaschen Riegeler und einen guten Teil der Whiskyflasche intus und fühlte sich allmählich in authentischer irischer Kneipenstimmung. Walter erzählte zwischendurch Anekdoten zu den Liedern und Erlebnisse seiner zahlreichen Besuche auf der Insel. Seltsamerweise gingen Kaltenbachs Erinnerungen immer wieder zurück an den Abend in Freiburg. Irische Musik ist sehr einfach: es geht immer um Alkohol, Armut und schwangere Mädchen, die sitzen gelassen wurden.
    Immer die gleichen Themen.
    Immer die selben Gründe, einen Mord zu

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