Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Frau gesprochen, die sagte, es sei noch nie jemand oben gewesen. Sie vermutet Privaträume oder etwas Kultisches.«
»Leben die hier, die Wächter?«
»Anscheinend wohnen die alle irgendwo in den umliegenden Dörfern und in Lörrach. Nur von Sutter weiß es keiner.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Ich habe gesagt, ich würde das Klo suchen. Was zumindest nicht falsch war. Sie hat mich nach draußen geschickt, dort gibt es einen kleinen Anbau.«
Er wandte sich wieder den Vitrinen zu. Sein Blick fiel auf einen Glaskasten, der sich durch seinen erhöhten Platz etwas von den übrigen abhob. Auch wenn er insgeheim damit gerechnet hatte, konnte er seine Überraschung nicht verbergen.
»Schau mal!«
In kleinen, mit Seidenpapier ausgeschlagenen Schächtelchen lagen Triskelen in unterschiedlichsten Größen und typischen Mustern. Doch das war nicht alles. Er hatte das Schmuckstück lange und oft genug betrachtet, um sofort zu sehen, dass eine der Broschen vor ihm das exakte Gegenstück zu dem war, das in Maleck bei ihm auf dem Nachttisch lag.
Montag, 12. März
Ihr Gesicht war kaum zu erkennen. Sie hielt die Augen gesenkt, als lausche sie der Antwort der Frühlingswolken, denen sich ihre Gestalt eingeschrieben hatte wie die zarte Andeutung japanischer Kalligrafie auf duftendem Reispapier. Der schlanke Körper bog sich filigran nach oben und erinnerte an eine zerbrechliche Pfauenfeder, deren notwendige Berührung mit der Erde sich auf ein notwendiges Minimum beschränkte.
»Gefällt sie dir?«
Luises Stimme klang wie die Musik zu dem, was er sah. Eine zarte Plastik. Er räusperte sich, sagte aber nichts.
»Sie war die erste, die entstand, nachdem ich mich von Hajo getrennt hatte. Ich wollte dem ein Bild geben, was ich noch besaß.« Sie lächelte. »Inzwischen weiß ich, dass ich ihm damals nicht alles gegeben habe. Im Nachhinein ist das gut so. Es scheint Orte in mir zu geben, die ich selbst erst entdecken muss.«
Kaltenbach war von der Offenheit überwältigt, mit der sie ihm begegnete. In dieser Weise konnte er nicht antworten. Noch war er nicht so weit. »Sehr schön. Sie ist wunderschön.« Eine abgedroschene Antwort. War er abgedroschen? Oder nur feige?
»Komm, ich zeige dir noch ein paar andere.«
Der Raum im Hinterhof des Gebäudes in der Freiburger Fischerau war nicht allzu groß. Luise hatte durch eine geschickte Anordnung der einzelnen Plastiken Möglichkeiten geschaffen, sie im Detail zu betrachten und trotzdem den notwendigen Abstand zu wahren.
Es war wie bei den Vögeln, dachte er. Sie hatten eine unsichtbare Grenze, die nur sie kannten. Wenn du sie überschrittest, flogen sie fort.
Die Figuren waren ähnlich der, die er als Erstes gesehen hatte. Es gab hauptsächlich verfremdete Darstellungen von Menschen, vereinzelt meinte Kaltenbach ein Reh oder einen Reiher zu erkennen. Es sah aus, als bewegte sich Luise wie eine Suchende entlang der Grenze zum Abstrakten.
»Verkaufst du auch welche?«
Kaltenbach ärgerte sich über die Frage im selben Moment, als er sie gestellt hatte. Die Worte waren unpassend. Trotzdem war ihm die Vorstellung unangenehm, eine dieser intimen Schöpfungen an einem unbekannten Ort zu sehen. Von Fremden angeschaut, womöglich befingert.
»Traust du mir das etwa nicht zu?«
Er schluckte. Natürlich hatte er es anders gemeint. Er musste aufpassen, dass er nicht schon wieder etwas Falsches sagte. »Nein, es ist nur … « Er stockte und sah sie an. »Es steckt so viel von dir drin.«
»Du meinst, ob ich das weggeben kann?« Sie strich mit den Fingern über die Schulter des kleinen engelähnlichen Wesens, vor dem sie stand. »Am Anfang war es nicht geschäftsmäßig. Eine Freizeitbeschäftigung, die sogar noch etwas einbrachte. Hajo kannte eine Menge Leute, und darunter gab es einige, denen gefiel, was ich machte. Sagten sie jedenfalls. Vor allem waren sie bereit, dafür zu zahlen.«
Sie fasste ihn am Arm und führte ihn in einen schmalen Flur, der in einen Innenhof mündete. An der Wand hing ein gerahmtes Ausstellungsplakat. »Das war eine große Sache damals in der Wiehre-Galerie. Eine eigene Ausstellung! Mit Vernissage, Saxofonmusik, Lachshäppchen, Küsschen links und Küsschen rechts. So wie es dazugehört.«
Kaltenbach betrachtete das Poster. Es zeigte Luise neben einer Plastik, die sich völlig von den vorherigen unterschied.
Luise nahm seinen erstaunten Blick wahr. »Es war tatsächlich so. Geometrische, strenge Formen. Klar und kühl. Seelenlos. Wie die Welt,
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