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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zugezogen. Wahrscheinlich war sein Gastgeber gerade mit seinen privaten Forschungen beschäftigt.
    Ob Oberbergers Kollegen von der Universität wussten, welcher geheimen Leidenschaft er nachging?
    Beim Näherkommen hörte er Cellomusik. Er läutete an der Haustür, doch es rührte sich nichts. Vielleicht wollte er sich nicht stören lassen. Unschlüssig blickte er sich um, als er sah, dass die Haustür nur angelehnt war.
    Jetzt hatte er einen guten Grund, sich bemerkbar zu machen. Er trat einen Schritt zurück und läutete erneut. Wieder keine Reaktion. Er schaute auf die Uhr. Es war inzwischen kurz vor sieben. Auf die Gefahr hin, unhöflich zu erscheinen, trat er ein. Von der halb geöffneten Wohnzimmertür drang Licht in den Flur.
    »Hallo?«
    Er klopfte an die Tür und ging hinein. Der Professor war nirgends zu sehen. Doch etwas anderes fiel ihm auf. Vielleicht hätte er den Unterschied gar nicht beachtet, wenn er nicht letzte Woche bewundernd davor gestanden hätte. Während bei allen anderen Vitrinen die Beleuchtung in kühler Eleganz schimmerte, war bei dem größten Schaukasten alles dunkel. Die Abdeckung war zerbrochen. Rings um den Sockel auf dem Parkettboden glitzerten Glassplitter. Das matte Samtkissen war leer, der ›Große Torques‹, der Stolz von Oberbergers Sammlung, war verschwunden.
    Kaltenbach schaute sich vorsichtig um. Das übrige Zimmer schien auf den ersten Blick unverändert. Deshalb also stand die Haustür offen! Der Dieb musste erst vor Kurzem verschwunden sein. Doch was war mit dem Professor? Trotz der Musik musste er das Splittern des Vitrinendeckels gehört haben.
    Er entschloss sich, nach oben zu gehen. Auf der Treppe überfiel ihn plötzlich die Furcht, der Eindringling könne noch im Haus sein. Kaltenbach widerstand der Versuchung, nach draußen zu laufen und die Polizei zu rufen. Er musste wissen, was hier passiert war. Vielleicht war Oberberger verletzt und brauchte dringend Hilfe.
    Die Musik wurde lauter, je weiter er die Treppe hochstieg. Durch die halb geöffnete Tür sah er das Sofa, neben dem das Licht herzukommen schien. Er hielt den Atem an und spähte durch den Türrahmen ins Zimmer.
    Tisch und Stühle waren umgekippt, die Blumenstöcke lagen in Scherben und verstreuter Erde neben der Stehlampe, die noch brannte. Eindeutig Kampfspuren. Der hintere Teil des Fenstervorhangs war abgerissen und hing herunter. Ordner, Bücher und einzelne Blätter lagen auf dem Boden verteilt wie nach einem Herbststurm.
    Hier würde auch die Polizei nicht mehr helfen können. Professor Oberberger lag halb unter dem kleinen Zeichentisch. Arme und Beine waren merkwürdig verkrümmt. Das blonde Haar klebte verkrustet über seinem Gesicht. Aus einer klaffenden Wunde an der Schläfe war Blut geflossen und hatte sich auf dem Teppich zu einer bereits halb eingetrockneten Lache ausgebreitet.
    Der Anblick verwirrte und faszinierte ihn. Es war nicht der erste Tote, den er sah. Doch war es etwas anderes, aus beruhigender Distanz einen aufgebahrten Verstorbenen in der friedlichen Stille des Leichenschauhauses zu sehen. Hier schlug ihm der eiskalte Hauch des Todes entgegen. Oberbergers Lebensuhr war nicht abgelaufen, sondern zertrümmert worden.
    Er kniete nieder und fasste den Toten am Hals. Die Haut war noch warm. Eine Stimme im Hinterkopf mahnte ihn, dass er nichts anfassen dürfe und schnellstmöglich die Polizei benachrichtigen sollte. Ihm fiel ein, dass er im unteren Zimmer ein Telefon auf dem Schreibtisch gesehen hatte.
    Er rannte hinunter und wählte den Notruf.
    »Ich schicke jemanden vorbei«, erwiderte der Beamte. »Warten Sie auf den Streifenwagen und rühren Sie sich nicht von der Stelle. Und nichts anfassen!«
    Der geschäftsmäßige Ton des Beamten brachte Kaltenbach zurück in die Realität. Der Professor war ermordet worden, der Torques gestohlen. Das war kein zufälliges Zusammentreffen. Und er hatte Sutter gekannt.
    Als er wieder vor dem Toten stand, stieg erneut die Erregung in ihm auf. Die plötzlich erstarrte Bewegung war so nahe am Leben, dass es aussah, als könnte der Professor im nächsten Moment wieder aufstehen wie ein Schauspieler am Ende einer fertig gedrehten Szene. Der endgültige Tod kam erst in der Friedhofshalle, wenn der Leichnam gewaschen, gerichtet und schließlich in würdevoller Haltung aufgebahrt lag. Dann erst konnten die Freunde und Verwandten Abschied nehmen.
    Die rechte Hand des Toten war zu einer Faust geballt. Kaltenbach sah, dass zwischen den Fingern ein

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