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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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nötigen Schritte zu veranlassen. Kurz darauf erschienen weitere Kollegen und ein Arzt. Die Spurensicherung aus Freiburg begann gleich nach ihrer Ankunft, den Toten und das Erkerzimmer akribisch zu untersuchen. In der Zwischenzeit musste Kaltenbach seine Personalien abliefern und dem Kommissar Schritt für Schritt den Ablauf schildern, seit er das Haus betreten hatte. Die Kartenreste und die Papierunterlage verschwieg er. Am Ende war er mit der Auflage entlassen worden, sich für weitere Fragen zur Verfügung zu halten. Am anderen Tag sollte er im Revier das Protokoll unterschreiben.
    Die Vesperpause ging schnell vorüber. Kaltenbach brachte Teller, Glas und Besteck zurück auf den Anhänger. Es beunruhigte ihn, dass er trotz mehrerer Versuche Luise nicht erreicht hatte. Vielleicht hatte sie seine Anrufe weggedrückt, als sie ihn auf dem Display erkannte. Er würde es weiter versuchen. Vielleicht sollte er gleich im Anschluss von hier zu ihr nach Freiburg fahren. Er hoffte inständig, dass sie nichts Unbedachtes unternehmen würde.
    Am Nachmittag hörte der Nieselregen kurzzeitig auf. Der Wind aus den Vogesen setzte das allüberdeckende Grau in Bewegung. Doch es blieb kalt. Kaltenbach sehnte sich nach der Frühlingswärme. Leise fluchte er vor sich hin, während er zum wiederholten Mal einen Rebtrieb mit einem der kurzen Drähte festband. Allmählich schmerzten seine Finger von der ungewohnten Tätigkeit, sodass er sie alle paar Minuten ausschütteln musste. Anfangs hatte er die Rebstöcke, später die Rebzeilen gezählt, angesichts der endlos scheinenden Kolonnen der Weinstöcke hatte er jedoch bald aufgegeben. Den Trieb fassen, vorsichtig biegen, mit drei bis vier Drehungen am Draht befestigen. Ein paar Schritte weiter dasselbe noch einmal, wieder und wieder.
    Die etwa 20 Helfer hatten sich über den ganzen Weinberg verteilt. Für ein gelegentliches ›Hallo‹ oder ein paar belanglose Sätze bot sich daher wenig Gelegenheit. Einer der Saisonarbeiter hatte gesungen, eine leise, getragene Weise, von der Kaltenbach kein Wort verstand, die aber zu den schwermütigen Augen des alterslosen Mannes mit den abgetragenen Kleidern passte. Anfang der 90er-Jahre, als die ersten Erntehelfer gekommen waren, hatte er einen heftigen Disput mit Onkel Josef gehabt, dem er Ausbeutung und Gutsherrenwirtschaft vorwarf. Doch trotz der eher bescheidenen Entlohnung verdienten manche in einer Saison so viel wie zu Hause in einem ganzen Jahr. Als im Laufe der Zeit Stimmen laut wurden, die Arbeitsplätze in den Weinbergen, beim Erdbeerpflücken oder auf den Spargelfeldern mit einheimischen Arbeitssuchenden besetzen zu lassen, sprach sich Onkel Josef dagegen aus: »Die sin sich doch z’schad für so ebbis. Noch späteschtens zwei Dag dued dene der Buckel weh oder d’Knie, und die kumme nimmi«, schimpfte er über die wenigen, die von der Agentur für Arbeit geschickt worden waren. »Die bliebe lieber daheim un lehn sich vum Schtaat verhalte. Kai Schweiß. Kai Muskelkater. Kai dreckigi Hend.«
    Kaltenbach war sich nicht sicher, ob sein Onkel den Arbeitslosen nicht Unrecht tat, doch sah er ein, dass vor allem in der Hochsaison in der Landwirtschaft verlässliche Leute gebraucht wurden.
    So wie die Verwandtschaft, brummte Kaltenbach missmutig vor sich hin. Es drängte ihn nach einem heißen Bad und seinem gemütlichen Sofa. Vielleicht war es doch keine gute Idee, verschwitzt und verdreckt wie er war zu Luise zu fahren. Er würde am Abend zu Hause bleiben und es noch ein paar Mal am Telefon versuchen.
    Gegen 17 Uhr hatte Kaltenbach genug. Am Ende einer der unzähligen Rebzeilen band er die letzten Rebtriebe fest und schlurfte zu seinem Onkel, der sich am Ende des Wirtschaftswegs an einem Traktor zu schaffen machte.
    »Schu recht«, knurrte er, als sein Neffe sich abmeldete. »I bin jo froh gsi, dass due kumme bisch. De Rescht kriege mir schu noch alleinig hi.« Er nickte hinunter Richtung Dorf. »Fahr mol em Hof vorbei und nimm dir e Flasch mit für hit Owend.« Kaltenbach verzichtete darauf. Es wollte unbedingt nach Hause.
    Es dämmerte bereits, als er über den Totenkopf, Bötzingen und Nimburg zurück nach Emmendingen fuhr. Im Wald nach Maleck fiel ihm siedend heiß ein, dass er noch etwas zu erledigen hatte. Er wendete und fuhr zurück in die Stadt. Kurz vor sechs betrat er den Schalterraum des Emmendinger Polizeireviers. Der diensthabende Beamte beäugte misstrauisch seine feuchten Klamotten und die lehmverschmierten Schuhe. Erst als

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