Teufelskreise (German Edition)
der anderen ließ sie unberührt. Sicher, dass die Luft nun anwesend war, stellte ich die zweite Untertasse im Osten auf den Boden.
Die rote Kerze, umringt von rotem Hämatit, war als nächste dran.
»Sei gegrüßt und willkommen, Element Feuer!
Deine Wandelbarkeit bringe in den Kreis,
gewähre uns Schutz auf mein Geheiß.«
Sofort leckten und knabberten Flammen an mir, doch ihre Berührung war nicht schmerzhaft, sie hatten keine bösen Absichten. Das Feuer spürte, dass ich es respektierte und seine unbeständige und verzehrende Natur verstand. Ich stellte die Untertasse hinter mich auf den Boden, im Süden.
Zuletzt griff ich nach der blauen Kerze mit einem Ring aus Korallen.
»Sei gegrüßt und willkommen, Element Wasser!
Deinen Leben spendenden Leib bringe in den Kreis,
gewähre uns Schutz auf mein Geheiß.«
Ich spürte, wie das feuchte Nass mich umspülte, und stemmte mich ihm entgegen, bis dessen Begrüßung beendet war. Dann platzierte ich die Untertasse im Westen, wo ich stehen blieb. Meine Willenserklärung verband ich mit der Invokation der Götter, als ich sagte:
»Persephone und Isis, eure Namen trage ich,
Artemis, Inanna und Ischtar, euren Willen teile ich.
Hathor und Hera, kommt, dass ich euch bei uns weiß,
auch du, Hekate, komm herbei und segne diesen Kreis.
Ihr Göttinnen, lenkt die Elemente, wie es euch gefällt,
und bringt Theo zurück aus der Anderswelt.«
Die Wölfe beobachteten mich aufmerksam und mit einigem Misstrauen, doch ihre Zweifel kränkten mich nicht. Sie verstanden nicht, was ich tat. Es störte mich auch nicht, dass Nana und Beverley zuschauten. Ihr Wohlwollen hüllte mich wie warmes Licht ein. Menessos hingegen fixierte mich mit kaltem Blick, während er abschätzend die Zeremonie und die Ehrerbietung verfolgte, die ich dem Ritual entgegenbrachte. Er studierte jede meiner Gesten, horchte auf die Betonung jedes einzelnen Wortes und formulierte im Geist sicher bereits eine Kritik. Ich hatte den Eindruck, als hätte er dem Ritual schon einmal beigewohnt und würde diesen Eindruck nun mit dem vergleichen, den er von mir gewann. Vielleicht gefiel ihm auch meine Willenserklärung nicht oder die Tatsache, dass ich acht Göttinnen angerufen hatte, doch ich fand, dass alles perfekt passte: Acht war schließlich die Zahl des Wandels.
Ich hob die Hände über meinen Kopf und legte Zeigefinger und Daumen aneinander, sodass sie ein offenes Dreieck bildeten. Dann senkte ich die gestreckten Arme vor meinem Oberkörper. Ich stellte mir vor, wie das Mondlicht durch dieses Dreieck und auf das dritte Auge auf meiner Stirn schien. Ich wollte, dass Theo lebte. Ich wollte den Schaden, der ihr wegen mir zugefügt worden war, wiedergutmachen. Ich konzentrierte mich auf beides und sah meinen Willen die Gestalt einer blauen Spirale annehmen. Meine Gefühle zeigten sich in einer roten. Beide glitten ineinander, verschränkten sich und wurden eins: eine einzige magentafarbene Spirale.
Nachdem ich das Gebilde gedanklich zu einem leuchtenden Band geglättet hatte, schoss ich es mit meiner Geisteskraft wie einen Pfeil zur Mondoberfläche, visualisierte, wie der Pfeil vor den Göttinnen, die ich gerufen hatte, landete und dann unter ihnen von Hand zu Hand gereicht und untersucht wurde, während jede von ihnen meine Bitte sorgfältig prüfte.
Ich richtete meine ganze Konzentration auf meinen Glauben in den göttlichen Willen, und der magentafarbene Pfeil flog durch das Dreieck zwischen meinen Fingern zu mir zurück und traf mein drittes Auge.
Auf einmal begann mein Körper von innen heraus zu vibrieren. Meine Kehle weitete sich, mein Mund öffnete sich, und ich begann zu singen.
Die Worte des Gesangs waren nicht von mir gewählt, sie waren ja nicht einmal in meiner Sprache, aber es war meine Stimme, die sie sang, und die Melodie hob und senkte sich in Crescendos entlang von Tonleitern, die meinen Ohren fremd und doch so wohlklingend waren.
In manchen Religionen sprechen die Menschen in Zungen – Glossolalie nennt man das und versteht darunter mystische unverständliche Äußerungen, die wie verflüssigte Worte klingen. Mein Gesang musste sich ungefähr genauso angehört haben. Aber wie, fragte ich mich, wie sollte ich das Ritual durchführen, wenn ich den Gesang nicht stoppen konnte?
Ich konnte nichts weiter tun, als in die Göttinnen zu vertrauen. Der Gesang fühlte sich gut und richtig an. Waren die seltsamen Worte Akkadisch? Waren sie vielleicht eine Gabe, damit ich das Ritual in der
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