Teufelskreise (German Edition)
über seine Wange.
Ich machte zwei Schritte zurück. Bedauerte er seine Rache?
Er wandte sich wieder Vivian zu und riss mühelos die Wäscheleine entzwei, mit der sie gefesselt war. Seine Bewegungen waren trotz ihrer Entschlossenheit und Kraft behutsam, wie die eines Liebhabers, der einem die Kleidung vom Leib reißt, dabei aber die Haut bewundernd streichelt. Wir hatten Vivian die Arme an den Körper gebunden und sie zusätzlich an den Stuhl fixiert, deshalb wusste ich, dass sie sich auch ohne die Wäscheleine nicht sofort befreien konnte. »Sie haben einen Eid geschworen –«, begann ich.
Er wirbelte herum. »Den ich auch einhalten werde, Miss Alcmedi. Aber ich werde Vivian von nun an nicht mehr aus den Augen lassen. Auch wenn sie den magischen Kreis nicht betreten kann, so wird sie doch in meiner Nähe bleiben.« Wieder wandte er sich ihr zu. »Nicht wahr?« Er zog sie auf die Beine. Ihre schwachen Glieder gaben nach, als er sie mit seinen Armen umfing. Ihre weit aufgerissenen Augen sahen mich flehend an.
Ich schüttelte den Kopf.
Schluchzend brach Vivian zusammen. Menessos, der sie noch immer hielt, suchte meinen Blick. »Gehen wir.«
»Moment mal –«
»Vivian wird gefesselt sein und Ihren Kreis nicht betreten. Und«, er fixierte sie streng, »sie wird sich angemessen verhalten und zur Abwechslung einmal einer richtigen Hexe bei der Arbeit zusehen.«
Ich zögerte. Vivian war eine richtige Hexe. Warum beleidigte er sie? Die Mischung aus Liebe und Hass, die er offensichtlich für sie empfand, verwirrte mich, aber darüber würde ich später nachdenken. Im Flur führte ich ihn zu Johnny und Goliath, die sich finster anstarrten. Es hätte mich nicht überrascht, zwei Pfützen auf dem Boden vorzufinden, als Beweis für einen kindischen Machtvergleich wie etwa einen Weitpinkelwettbewerb.
»Kommen Sie«, sagte ich, und sie folgten mir. Als Goliath, der das Schlusslicht der kleinen Gruppe bildete, die knarrenden Stufen betrat, blieb er stehen und hüpfte auf und ab. Ich drehte mich um und durchbohrte ihn mit Blicken. Er grinste.
Doch jetzt war nicht der geeignete Moment, um mich von ihm ablenken zu lassen. Ich hoffte, er würde sich innerhalb des Zirkels mit Beverley als Zuschauerin benehmen.
»Du musst kurz nach draußen gehen, solange ich den Raum reinige, Beverley.« Sie hatte bei Theo gesessen und erhob sich nun gehorsam.
Nana kam zu mir und zog eine Halskette aus ihrer Hosentasche. »Trag das hier«, sagte sie. Ich spürte die Vibrationen der aufgeladenen Steine und nahm die Kette. Sie sah aus wie eine dreireihige Perlenkette, nur dass sie eben nicht aus Perlen bestand. »Mondsteine«, sagte ich.
»Ja.« Nana lächelte zufrieden, weil ich sie erkannt hatte. »Darf ich?« Sie legte sie mir um. »Ich habe sie aufgeladen, damit sie dich beschützen«, flüsterte sie.
Die Kette bedeckte den Teil meines Halses, der für einen Vampir wohl am verführerischsten war. Dass das Schmuckstück viel zu schick für mein Superman-T-Shirt war, daran verschwendete ich keinen Gedanken.
»Alles, was du brauchst, findest du auf dem Tablett«, Nana machte eine Geste, »und am Fuß des Bettes.«
Aus einem Betttablett hatte sie einen Behelfsaltar aufgebaut, den sie am Fußende von Theos Krankenbett befestigt hatte. Dieses war so weit von der Wand abgerückt worden, dass ich darum herumgehen konnte, außerdem hatte jemand die gute Idee gehabt, die Kabel der Monitore am Boden mit Isolierband festzukleben. Der Codex war auf der richtigen Seite aufgeschlagen, in dem Buch lag die Übersetzung, und daneben standen verschiedene Altargegenstände. Praktisch, meine Nana. »Danke«, sagte ich.
Dr. Lincoln hatte Theos Sauerstoffschlauch und die Magensonde entfernt und den Verband an der Vorderseite aufgeschnitten. Die Infusionsnadel wurde noch benötigt, um Theo mit Flüssigkeit zu versorgen.
Ich fühlte die Blicke der anderen auf mir, als ich die runde, hohe, weiße Kerze entzündete. Nana knipste das elektrische Licht aus, während ich die fünfeckige Räucherschale nahm und das Räucherwerk entzündete. Dann begann ich, den Raum mit den Elementen zu weihen. Zuerst mit dem Rauchwerk, das die Luft repräsentierte. Als Nächstes mit einer roten Kerze, die für Feuer stand, dann mit einer Schale Kristallwasser – ein aufgeladener Kristall hatte darin gelegen, als es dem Mondlicht ausgesetzt gewesen war – für das Element Wasser. Zuletzt verstreute ich Salzkörner, die Erde repräsentierten. Dann zog ich den magischen Kreis in
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