Teufelskreise (German Edition)
hatte, um meine Schutzbanne aufzuladen. Mit jedem pulsierenden Pochen kam sie näher. Ich spürte ihre ungeheure Kraft, fühlte, wie sie entlang der Linie knisterte und sich in meine Richtung bog. Ich spannte mich an.
Als ich die Schutzbanne errichtet hatte, hatte ich es bereits gewagt, die Linie mit den Fingerspitzen zu berühren und hatte – aus reiner Angst und dem Bedürfnis nach Sicherheit – meine ganze Hand in sie hineingetaucht. Das allein hatte mir schon einen Eindruck von ihrer immensen Kraft und dem möglichen Rausch gegeben, den Sterbliche zu recht fürchteten … Doch jetzt war sie es, die nach mir suchte. Sie folgte dem Sog des Rituals, dem Sog meines Gesangs, und ich besaß kein Mittel, um sie aufzuhalten. Sie würde mich finden.
»Jetzt«, flüsterte Menessos.
Die Energie der Leylinie machte einen Satz, als sie mich erreichte. Ein Blitz fuhr erst in den Kreis, dann in mich. Die Energie, die er verkörperte, wollte durch meine Stimme aus mir hinausdrängen. Sie wollte das Zimmer füllen und weiterströmen, während ich den Ton sang … konnte mich aber nicht schnell genug durchdringen. Ich sang eine Oktave zu tief.
In diesem Moment wurde mein Körper taub. Ich spürte nichts mehr – weder die Vibration meiner Stimmbänder noch den Boden unter meinen Füßen. Es war, als hätte ich aufgehört zu existieren. Die Energie nahm meinen gesamten Körper ein und wurde greifbar. Sie tastete, strömte, floss durch mein Inneres und suchte nach ihrer Aufgabe, damit sie ihre dafür passende Form annehmen konnte. Aber ich konnte nicht sprechen, konnte sie nicht führen; meine Stimme sang, und es war mir unmöglich aufzuhören. Ich kämpfte vergeblich.
»Gib auf, Persephone. Jetzt«, flüsterte Menessos.
Ich hörte auf, mich zu wehren, die Energie kontrollieren zu wollen. Meine Stimme wurde nun tatsächlich höher, es folgte eine schnelle Reihe von Tönen, die sich zu einem Sopran hinaufschwangen. Ich traf den höchsten Ton, den auch meine wirbelnden Schutzbanne hervorgebracht hatten und hielt ihn.
Endlich schoss die Leylinie aus mir heraus und vereinigte sich mit der Energie, die wir gemeinsam heraufbeschworen hatten.
Menessos trat vor, die Hand erhoben und befahl:
»Nehmt diese Energie, ihr Elemente vier,
kommt gestärkt zurück zu mir.«
Aus dem wirbelnden Kraftkegel streckten sich vier Energie-Arme nach unten. Sie waren blau, rot, gelb und grün und berührten die Kerzen, die in den einzelnen Himmelsrichtungen standen. Die wirbelnden Stränge senkten sich tiefer, streckten sich, bis der Kreis eine Art Käfig aus farbiger Energie war, der von winzigen Kerzenflammen verzehrt wurde.
Über uns explodierte das Zentrum. Die farbigen Arme wurden von den Kerzen aufgesogen wie ein metallenes Maßband, das in sein Gehäuse zurückschnappt. Ich sang noch immer.
»Goliath.«
Goliath senkte auf Menessos’ Zeichen hin leicht den Kopf, streckte bittend die Arme aus und sagte: »Theodora Hennessey … vergib mir.«
Blitze schossen aus den Kerzen und bogen sich als knisternde Energiefäden über unseren Köpfe, wo eben noch das Energiezentrum gewesen war. Sie streiften unsere Körper. Beverley schrie auf und drückte sich fest an Nana.
Menessos sagte:
»Komm zu mir, Kraftkegel, gehorche mir!
Gib die Energie des Mondes uns allen hier!«
In dem Moment wusste ich, dass er uns verraten hatte.
Im Geiste schrie ich protestierend auf, konnte aber in Wirklichkeit nichts weiter tun, als weiterhin den Ton zu singen.
In Latein fügte er etwas hinzu, von dem ich nur zwei Worte verstand: »lux« und »tenebris«. Licht aus der Dunkelheit.
Die Kerzenflammen sanken zu einer schwachen Glut zusammen, und es wurde dunkel. Plötzlich umgab meine Silhouette ein Strahlenkranz, als wäre ein starkes Licht auf meinen Rücken gerichtet. Mein Gesang wurde schwächer, und meine Beine gaben nach. Wie ein gebündelter Sonnenstrahl fiel das Mondlicht durch das Oberlicht und beleuchtete meinen Kreis.
Menessos fuhr fort:
»Suche die Wölfe, du kannst sie erkennen,
Mondlicht, lass sie los, lass sie rennen.«
Celia starrte auf die dunklen Haare, die auf ihren Armen zu wachsen begannen. »Nein! Persephone, nein! Ich wandle mich! Tu etwas, damit es aufhört!«
»Spüre den Wolf in dir!«, rief Nana ihr zu. »Streichle ihn, liebkose ihn, damit er sich beruhigt, dann wende dich von uns ab!«
Nanas Worte hörten sich wie ein patenter Rat an, waren aber leider umsonst. Celia packte Erik und drückte ihr Gesicht an seine Brust, während
Weitere Kostenlose Bücher