Teufelskreise (German Edition)
praktischerweise ihre Akte verlieren und einfach vergessen, dass es sie je gegeben hatte. Verdammt, machte sich denn außer mir niemand Sorgen um die Kleine?
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Nana, als sie die Tür von der Garage aus wieder öffnete.
Ich machte große Augen. Konnte sie auf einmal Gedanken lesen?
»Sie haben doch genau wie jeder andere auch das Recht darauf, Ihre Meinung zu äußern«, fuhr sie über die Schulter an Johnny gewandt fort. »Außerdem finde ich, dass es stimmt, was Sie gesagt haben. ›Ares‹ ist ein viel besserer Name als ›Poopsie‹.«
Ich war erleichtert. Zum Glück war Nana doch keine Gedankenleserin. »Ares?«, fragte ich.
»Johnny findet, der Name passt besser zu ihm. Also heißt Poopsie jetzt Ares.«
Der Hund kläffte zufrieden in der Garage.
Erstaunt, weil Nana sich so handzahm gegenüber Johnny zeigte, stellte ich mich neben sie, als sie sich mit einem liebevollen Lächeln gegen den Türrahmen lehnte. Nach einem prüfenden Blick in ihr Gesicht, keimte in mir der Verdacht auf, dass diese Verzückung dem Hinterteil unseres Gastes galt. Johnny und Ares spielten mit einem dicken Stück Seil Tauziehen, ein Spielzeug, das ich in der Hoffnung gekauft hatte, dass es meine Couch retten würde. Beide knurrten fröhlich.
Nana drehte sich um, schlurfte ein paar Schritte weiter, blieb dann stehen und sah mich an. »Wenn du klug bist, dann saust du dich jetzt ein und lässt dich hinterher von ihm saubermachen.« Sie verschwand den Flur entlang.
Mein Mund stand immer noch offen, als Johnny Ares das Seil überließ, das Handy von seinem Gürtel nahm und es aufklappte. »Hallo?«
Ich war überrascht, dass er hier draußen Empfang hatte.
»Ja … Scheiße. Wie schlimm ist es? Wissen sie schon Bescheid? Ich bin auf dem Weg.« Er klappte das Telefon zu. »Tut mir leid, Red, ich muss gehen.« Er sprang die Stufen hoch und eilte an mir vorbei Richtung Haustür. Ich nahm seine Lederjacke von der Stuhllehne und folgte ihm.
»Was ist los?«
Ohne stehen zu bleiben, öffnete er die Tür und antwortete, während er weiterlief. »Theo ist auf der Intensivstation. Ein Autounfall.«
»Johnny, warte!« Ich rannte, um mit ihm Schritt zu halten.
»Wenn sie herausfinden, dass Theo infiziert ist, ziehen Sie den Stecker! Ich muss gehen.« Er schwang sich aufs Motorrad, nahm seine Jacke von mir entgegen und schlüpfte hinein.
»Du redest von Theodora Hennessey, oder?«
Er nickte knapp. Seine Miene war hart. Er ließ den Motor an.
»Ich komme mit.« Ungelenk kletterte ich hinter ihn auf den Sitz. Es war schon lange her, dass ich auf einem Motorrad gesessen hatte. Ich stützte mich auf den schwarzen Satteltaschen ab, damit ich mich nicht gegen ihn lehnen musste. Neugierig blickte Johnny über seine Schulter zurück. Er öffnete den Mund – schloss ihn dann aber wieder und entledigte sich seiner Jacke. »Zieh sie an.«
Ich gehorchte.
»Ich will keine Zeit verlieren, also halt dich fest«, sagte er, und zur Abwechslung klang er mal nicht selbstzufrieden.
9
Nach zehn stoischen Minuten gab ich meine Haltung auf, schlang die Arme fest um Johnnys Taille und schmiegte mich an ihn. Da ich weder Helm noch Schutz- oder Sonnenbrille trug, hielt ich die Augen geschlossen und konzentrierte mich aufs Fühlen … Ich nahm Johnnys harten, schlanken und vor Ungeduld angespannten Körper wahr, Muskeln, die die Bewegung des Motorrads imitierten, wenn Johnny es in eine Kurve lenkte und, wie ich vermutete, auch manchmal durch die schmale Lücke zwischen zwei Autos hindurchmanövrierte. Es war, als würden wir zu dem Heulen und Brummen des Motors tanzen, uns in seinem Rhythmus wiegen.
Normalerweise brauchte ich eine Stunde in die Stadt, noch länger, wenn ich mich durch den Berufsverkehr kämpfen musste. Johnny hingegen brachte uns in genau vierzig Minuten zur Cleveland Clinic, aber danach hatte meine Frisur eine Haarbürste auch bitter nötig.
Als wir das Krankenhaus betraten, fühlte ich mich wie der kleine Chihuahua in den Zeichentrickfilmen, der mit einem großen Hund Schritt zu halten versucht. Johnnys lange Beine trugen ihn geschmeidig und schnell von A nach B, während ich rennen musste, um nicht abgehängt zu werden. Während ich neben ihm herhastete, glättete ich mit den Fingern mein Haar, um nicht auch noch wie das Stereotyp einer Hexe auszusehen.
»Johnny!« Es war Celias Stimme. Wir drehten uns um. »Persephone!«
Wir eilten auf sie zu, doch sie kam uns nur widerstrebend entgegen, so
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