Teufelskreise (German Edition)
nicht viel Flüssigkeit herauszulaufen.
Mir lag ein Heil-Chant auf der Zunge, aber ich wagte es nicht, für einen Wærwolf Energie zu rufen. Erik und Celia saßen schweigend auf den vorderen Sitzen, Johnny wies ihnen auf seinem Motorrad den Weg. Er hatte gesagt, dass er wüsste, wohin wir zuerst fahren würden, und dass es nur dreißig Minuten dauern würde.
Ich strich Theo die Haare aus der Stirn. Warum sollte jemand ihren Wagen manipulieren oder sie von der Straße abdrängen? Ich dachte daran, dass es Menschen gab, die genau dieselben Fragen stellen würden, wenn ich Goliath Kline tötete. Auch er hatte sicherlich Freunde, Geliebte oder andere Personen in seinem Leben – oder besser gesagt in seinem Untod – , die ihn betrauern würden. Wenn ich es wie durch ein Wunder tatsächlich schaffen sollte, ihn zu eliminieren, wäre die Sache damit noch lange nicht abgeschlossen. Und schade niemandem …
Ein Auftragsmörder schadete nicht nur der Zielperson.
Der Wagen holperte über eine Bodenwelle; Theodora stöhnte.
»Theo.« Ich nahm ihre Hand. »Ich bin’s, Persephone. Ich bin hier. Bei dir.«
Wieder Straßenschäden. Sie stöhnte erneut. »Tut weh.«
»Versuch jetzt nicht zu sprechen. Wir bringen dich zu jemandem, der dir helfen wird.« Das Wort »Tierarzt« wollte ich lieber nicht erwähnen, es würde sie kaum beruhigen oder ihre Hoffnung wecken. Der Wandel konnte einen Wærwolf von fast allem kurieren, doch Vollmond war noch Wochen hin, und es würde an ein Wunder grenzen, wenn wir Theo in ihrem Zustand bis dahin am Leben halten könnten. Aber Johnny hatte gesagt, er kannte einen Tierarzt, der Wære als Patienten akzeptierte, solange die Behandlung in bar bezahlt wurde. Es war das Beste, was wir für Theo tun konnten. »Du wirst es schaffen, Theo. Ich verspreche es dir. Halt durch.« Obwohl ich keine Ahnung hatte, fügte ich hinzu: »Wir sind gleich da.«
»Sephhhhh«, flüsterte sie.
Ich beugte mich näher. »Scht, Theo. Schon dich.«
»Er war’ssss. Hat mich … mich von der Straße … gedrängt.« Sie drückte meine Hand. »Go-li-ath.« Ihr Griff wurde schlaff.
Ich suchte ihren Puls und spürte ihren kräftigen Herzschlag an meinen Fingerspitzen.
Ich war erleichtert, aber ihre Worte gingen mir nicht aus dem Kopf. Sie hatte gesagt, dass Goliath sie von der Straße gedrängt hatte! Dann hatte sie ihn also erkannt. Ihre Quellen mussten auch über Fotos verfügt haben. Und wichtiger noch: Goliath hatte anscheinend erfahren, dass Theo Informationen über ihn eingeholt hatte. Deshalb hatte er sich – genau wie der Reverend es vorhergesagt hatte – angegriffen gefühlt und zurückgeschlagen.
»Ihr Zustand stabilisiert sich.« Dr. Geoffrey Lincoln, Dr. med. vet., steckte die Hände in die Taschen seines Laborkittels. Er war recht durchschnittlich gebaut: ungefähr eins fünfundsiebzig groß und circa achtzig Kilo schwer. Er hatte zurückweichendes, kurzes braunes Haar, braune Augen und trug eine Brille. Das Kinn war wohlgeformt, aber er hatte dünne Raucherlippen. Wenn er sich konzentrierte, verschmälerten sie sich zu einem Strich. Trotz der Tatsache, dass es bereits weit nach Mitternacht war, war der Doktor so freundlich gewesen, uns in seiner Praxis zu treffen. Johnny hatte knurrend darauf bestanden.
»Ich leihe Ihnen die Ausrüstung und sehe regelmäßig nach ihr, aber«, er sah uns entschuldigend an, »hier kann sie nicht bleiben. Den ganzen Tag gehen in der Praxis die Leute mit ihren Haustieren ein und aus. Leute, die ihre haarigen Tiere lieben, sich aber von dem Teil der Bevölkerung bedroht fühlen, der erst zu haarigen Tieren geworden ist. Wenn jemand sie sieht, macht die Bundespolizei mir eine Stunde später den Laden dicht.«
Celia verschränkte die Arme. »Das erinnert mich an den Pfad der Tränen. An das, was die Regierung mit den amerikanischen Ureinwohnern gemacht hat. Sie können uns nicht einfach abschlachten, aber sie können uns jedes Menschenrecht verweigern, um den Genozid zu unterstützen.«
Ich wurde unruhig, weil mir Celias College-Arbeit über die amerikanischen Ureinwohner einfiel. Obwohl es ein guter Aufsatz über ein Thema gewesen war, das ihr bereits sehr am Herzen gelegen hatte, noch bevor sie selbst zum Wærwolf geworden war, fürchtete ich nun, dass wir hier nie wegkämen, wenn sie sich einmal darauf einschießen würde.
Glücklicherweise hatte die Schwere der Situation Celia wohl die Sprache verschlagen, denn abgesehen von den Geräuschen des Blutdruckgeräts
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