Teufelskreise (German Edition)
werden und gesagt zu bekommen, dass alles gut werden würde und ich nicht an allem schuld war. Aber wenn ich wollte, dass er mich tröstete, musste ich ihm die ganze Wahrheit sagen. Und dieses Risiko wollte ich nicht eingehen.
»Wenn du die Kohle wäschst und mehr ausgibst, als du einnimmst, dann bekommst du ernsthaften Ärger.«
Ich lachte nervös. Ich stand so nah bei ihm, dass seine Furcht erregenden Augen geradewegs durch mich hindurchsahen, als ich den Blick hob. »Ich wasche kein Geld.« Leider. Das wäre so viel leichter und ungefährlicher gewesen, als das, was ich tatsächlich tun musste.
»Was dann?«
Ich wollte, dass er mich losließ. Und dann wollte ich es auch wieder nicht. »Ich kann es dir nicht sagen.«
Er schnaubte. »Wusste ich es doch, dass du so reagieren würdest.« Er ließ mich los und wandte sich brüsk ab, um zu gehen. An der Tür hielt er inne. »Wenn du deine Meinung ändern solltest, mein Angebot steht.«
10
Ich saß an meinem Arbeitsplatz im Esszimmer, den ungenutzten Esstisch im Rücken, tippte den Titel meiner Kolumne – »Wær bist du?« – und fragte mich, wie viele meiner Leser das Wortspiel verstehen würden. Wahrscheinlich nicht so viele, wie ich hoffte. Vielleicht sollte ich mal bei den Redakteuren nachfragen, wie viele Leserbriefe sie von wütenden Lehrern erhielten, die an einen Rechtschreibfehler glaubten.
»Von Circe Muirwood«, mein Pseudonym. Um mein unschuldiges Ich zu schützen.
»Profil einer Wær-Mutter: Teil eins
Es ist allgemein bekannt und überall zu lesen, dass Wære keine Kinder bekommen können. Trotzdem gibt es unter dieser Bevölkerungsgruppe, deren Mitglieder einmal ganz normale Menschen waren, auch solche, die als Eltern infiziert wurden. Ja, Menschen wie du und ich mit Jobs und Familien können insgeheim Wære sein. Vielleicht ist dies ja der wahre Grund, warum Ihre beste Freundin und deren Mann letztes Wochenende die Verabredung mit Ihnen abgesagt haben: Dem Ehemann Ihrer besten Freundin war Fell gewachsen, und er musste in einen Zwinger weggeschlossen werden.
Was ich damit sagen will: Wære sind auch Menschen. Egal ob sie heute Fell oder Fangzähne haben, früher einmal waren sie gewöhnliche Menschen wie Sie selbst. Wenn Sie eine alleinerziehende Mutter mit einem Exmann sind, der nichts taugt, sie verlassen hat und keine Alimente zahlt, versuchen Sie sich vorzustellen, wie es wäre, wenn Sie sich zusätzlich noch darüber Sorgen machen müssten, dass Ihnen ein Mal im Monat Fell wächst. Eine durchaus schmerzhafte Angelegenheit: Und zwar nicht nur, weil sich Ihr Körper wandelt, sondern auch, weil Sie plötzlich herausfinden würden, wer Ihre Freunde sind. Wem Sie trauen können und wem nicht, wer Sie lächerlich macht und Sie schikaniert und wer Ihnen Unterschlupf bietet … «
Ich speicherte den Text ab und klappte den Laptop zu. Unsicher, ob ich später etwas von diesem Entwurf verwenden konnte, massierte ich meine Schläfen. Vielleicht war es dumm zu glauben, es wäre in all dem Trubel möglich, eine gute Kolumne zu schreiben.
Ich hörte Celia und Erik ins Haus kommen. Erik begann die Treppe leise hinaufzusteigen, aber Celia kam an meinen Schreibtisch, an dem ich mir immer noch die Schläfen rieb.
»Kopfschmerzen?«, fragte Celia. »Ich hole dir Ibuprofen.«
»Nein, danke.« Ich streckte mich, als sie auf dem Weg zur Küche an mir vorbeiging. »Ich musste nur ein paar Gedanken aufschreiben. Habt ihr eure Sachen schon hier?«
»Ja.« Sie hatte ihren Neuengland-Schick gegen einen lässigeren graugrünen Jogginganzug getauscht. Seine Farbe passte zu ihren Augen. »Erik pumpt gerade unsere Luftmatratzen im Gästezimmer auf.« Sie hielt inne. »Er würde heute gerne die Nachtschicht übernehmen. Dann bleibe ich bis zehn Uhr morgens bei Theo, und anschließend übernimmt Johnny bis vier Uhr nachmittags – danach hat er Zeit zum Kochen. Wenn du die Schicht von vier bis zehn Uhr abends machst, kommt Erik wieder nach dir dran.«
»Schön, dass du dir über einen praktikablen Schichtplan Gedanken gemacht hast.« Ich selbst hatte nicht daran gedacht und hätte einfach improvisiert.
Sie strich sich glättend mit der Hand über das Haar. Die Müdigkeit war ihr anzusehen. »Ich habe auch ein Klemmbrett mitgebracht und einen Zeitplan für die Medikamente erstellt, damit wir immer wissen, wann Theo was bekommt und wer es ihr verabreicht hat. Organisation muss sein. Wir dürfen uns keinen Fehler erlauben.« Ihre Augen füllten sich mit
Weitere Kostenlose Bücher