Teufelskreise (German Edition)
gezogen war. Ich hatte die Technik noch nie ausprobiert, denn bisher war es nicht nötig gewesen. Die Tatsache, dass ich nun einen guten Grund dazu hatte, machte mich traurig.
Dann konnte ich der Versuchung nicht länger widerstehen, Theos Umschlag zu öffnen.
Fotokopien von Zeitungs- und Internetartikeln glitten in meine Hand. Im ersten war über die Entführung zu lesen. Wer immer ihn geschrieben hatte, hatte wenig handfeste Informationen zur Verfügung gehabt und stattdessen auf die Tränendrüse gedrückt. Ein Foto zeigte einen Jungen mit strahlenden Augen und hellem Haar. Er wirkte hübsch, aber irgendwie ungelenk, so wie viele Kinder, wenn sie zu schnell wuchsen. Außerdem fand ich einige Ausdrucke eines Onlinemagazins mit dem Namen »Aus dem Dunkel«, von dem ich gehört hatte, dass es vor allem Verschwörungstheorien verbreitete. Auch Artikel über Wære, UFO s und Vampire waren in dem kleinen Stapel.
Sämtliche ausgedruckten Seiten handelten von Aktivitäten von Vampiren – bewiesene und auch nur vermutete – , dazu gab es offiziell aussehende Protokolle der Tagungen des Vampirparlaments, in denen sowohl Teilnehmer als auch Abwesende detailliert aufgeführt wurden. Theo hatte einige Namen unter der Überschrift »abwesend« farblich markiert. Auf der nächsten Seite waren weitere Abwesende aufgelistet, manche von ihnen ebenfalls markiert, und dieses Mal hatte Theo handschriftlich hinzugefügt: »Goliath wird verdächtigt, die markierten Parlamentsmitglieder getötet zu haben. Sie wurden seitdem nicht mehr gesehen.«
Ich überflog den Artikel. Der Autor schien selbstverliebt, konnte aber mit Worten umgehen. Die meisten Artikel in »Aus dem Dunkel« waren entweder in einem knappen Internetstil oder, wie in manchen Zeitungen, auf dem Leseniveau eines Zehntklässlers verfasst worden, aber in diesem Text fanden sich tatsächlich mehrsilbige Worte und intelligente Metaphern. Ich hätte wetten können, dass ein Vampir sein Autor gewesen war. Wer sonst hätte Zugang zu dieser Art von Information und das Ego gehabt, eine anspruchsvolle Sprache zu bemühen.
Andererseits: Warum sollte sich ein Vampir auf diese Weise verraten? Ein anderer Schreiber könnte diesen Stil einfach kopiert haben, um den Verdacht der Autorschaft von sich abzulenken.
Nachdem ich mir mein Urteil über den Artikel gebildet hatte, ging ich ihn noch einmal durch, um herausfinden, was er für mich bedeuten könnte. Ich kam zu dem Schluss, dass Goliath ganz offensichtlich ein hervorragend ausgebildeter und erfahrener Killer sein musste.
Bisher hatte er Beverley nichts angetan, Gott sei Dank. Wenn er aber herausfand, dass ich diejenige war, die Theo um einen Backgroundcheck gebeten hatte, wie groß würde wohl die Chance sein, dass er auch nur einen meiner Hausbewohner am Leben ließ?
Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich hatte nicht nur Theo in Gefahr gebracht, sondern auch all die anderen Menschen, die mir am Herzen lagen. Ich musste auf der Stelle meine Schutzbanne verstärken.
»Celia«, sagte ich, als ich die Küche betrat, »ich muss –« Beinahe wäre mir »meine Hausbanne stärken« herausgerutscht, doch gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass sie sich dann sicher fragen würde, was für einen Grund ich dafür hätte. Aber Moment, vielleicht war das ja gar kein Problem. »Ich muss meine Hausbanne stärken. Derjenige, der es auf Theo abgesehen hatte, könnte ihr auch hierher folgen. Kannst du mich fünfzehn Minuten lang vertreten?« Ich mochte es gar nicht, jedes einzelne Wort erst doppelt und dreifach überdenken zu müssen. Bei der Göttin, ich zog Ehrlichkeit bei Weitem vor. Wie schafften gewohnheitsmäßige Lügner das nur?
Celia erklärte sich einverstanden, sodass ich die notwendigen Zutaten zusammensuchen konnte. Dann lief ich eilig in den Garten, das »Buch der Schatten« unter meinem Arm und einen Besen in der Hand. Ein Ring mit alten Bartschlüsseln baumelte wie ein klobiges Armband an meinem Handgelenk. Johnny, der zeitgleich den Müll hinausbrachte, folgte mir.
»Was hast du vor?« Die kindliche Neugierde in seiner Stimme brachte mich zum Lächeln.
»Ich tune das Sicherheitssystem des Hauses.«
»Wäre da ein Schraubenzieher nicht nützlicher als alte Schlüssel und ein Besen?« Das letzte Wort zog er in die Länge. Sicher dämmerte ihm, was ich vorhatte.
Ich blieb stehen und drehte mich um. Er betrachtete das Buch unter meinem Arm und hielt ebenfalls inne.
»Oh. Du hext.«
»Ja.«
Plötzlich konnte ich an
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