Teufelskreise (German Edition)
es euch Wærwölfen allen zusammen erklären, dann sollt ihr entscheiden, ob wir es wagen oder nicht. Aber bevor er geht, möchte ich Dr. Lincoln hierzu noch etwas fragen.«
Der Arzt hob abwehrend eine Hand. »Ich habe nicht viele Wærwölfe als Patienten, aber von dem magischen Kram mal ganz abgesehen: Meinen Sie wirklich, dass so eine Wandlung klug wäre?« Er schob die Brille auf seiner Nase höher. »Sie ist wirklich sehr schwach. Wie können Sie sicher sein, dass sie die Transformation überlebt?«
»Genau danach wollte ich Sie fragen: Können Sie etwas tun, um sie zu stärken? Damit ihr Körper kräftig genug ist, um einen solchen Zauber zu überstehen?«
Er dachte nach. »Ich habe da tatsächlich etwas … « Er begann kurz damit, uns die medizinischen Aspekte zu erläutern, besann sich dann aber anders. »Um es kurz zu machen: Ich habe so eine ähnliche Prozedur an dem Pony vorgenommen, um sein Herz schneller schlagen zu lassen und es aufzuwärmen, damit es, während wir auf den Kran warteten, der es schließlich aus dem Loch ziehen sollte, nicht hypothermisch werden konnte. Aus der Eiweißlösung, die ich ihm gespritzt habe, könnte ich, na ja, eine Art Energiedrink für Theo herstellen.« Er kratzte sich am Kopf. »Ja, das könnte klappen.«
»Super.«
»Ich habe noch etwas davon in meinem Truck. Ich werde die Lösung schnell holen und mir alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen.« Er öffnete die Haustür.
Als ich Ares in seinem Käfig in der Garage bellen hörte, fiel mir ein, dass ich den Arzt auch gleich bitten könnte, ihm seine Impfungen zu verabreichen. Dann könnten wir ihn endlich ganz normal Gassi führen. Ich überlegte kurz, ob Nana sich bei den Vorbesitzern nach seinem Impfpass erkundigt hatte, dann wollte ich mich zu Dr. Lincoln umdrehen, der überraschenderweise noch immer in der Tür stand und hinausstarrte. Sein Mund öffnete und schloss sich mehrmals, aber kein Laut drang heraus.
»Was ist?«, fragte ich und ging zu ihm.
Er hob die Hand und deutete in die Dunkelheit. »Ich glaube, ich warte lieber noch ein bisschen hier im Haus.«
Ich folgte seinem Blick.
Vor dem Geländer der Veranda, direkt gegenüber der geöffneten Tür, stand ein Mann mit leuchtend weißer Haut und hellem Haar, das wie Silber im Licht des abnehmenden Mondes schimmerte. Ich hätte schwören können, dass er größer als Johnny mit seinen eins siebenundachtzig war. Seinen Körper, der an eine Vogelscheuche erinnerte, hatte er von Kopf bis Fuß in glänzendes Schwarz gekleidet. Die Intensität seines Blickes, seine irritierende, vibrierende Präsenz und der schwache Geruch von verfaulten Blättern ließen keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Fremden um einen Vampir handelte. Aber es waren seine Augen, an denen ich ihn letztendlich erkannte. Die Farbe seiner Iris konnte ich selbst aus der Entfernung sehen – blau wie Vergissmeinnicht. Diese Augen hatte ich schon einmal gesehen – auf einem Kinderfoto.
»Goliath«, sagte ich.
Sein Mund verzog sich zu dem herablassendsten Lächeln, das ich je gesehen hatte. Sein Kinn senkte sich ganz leicht wie zur Bestätigung.
»Sie haben eine Freundin von mir umgebracht«, ergriff ich wieder das Wort.
»Vielleicht.«
In dem Moment kam Beverley in den Flur gelaufen. »Geh zurück in die Küche«, fuhr ich sie an.
»Goliath«, flüsterte sie verblüfft, bevor sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.
Ich starrte sie an. »Du kennst ihn?«
»Ja, klar.«
»Hallo, Beverley«, sagte Goliath.
»Du glaubst doch nicht, dass er der Vampir ist, der meine Mom umgebracht hat, oder?«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Sie ging Richtung Tür, obwohl ich sie zurückzuhalten versuchte. »Goliath!«
»Beverley!«, rief er. Seine Miene hatte sich verändert.
Ich stellte mich zwischen Lorries Tochter und die Tür. »Lass mich das regeln, Beverley.« Ich befürchtete, sie würde ihn ins Haus bitten oder etwas ähnlich Gefährliches tun. »Geh jetzt in die Küche. Bitte.«
Für eine lange Sekunde zweifelte ich daran, dass sie mir gehorchen würde, doch dann setzte sie sich in Bewegung.
Ich wandte mich wieder dem Vampir zu. »Ich bin gekommen, um Vivian Diamond und das Buch zu holen.« Sein Tonfall war kühl, seine Stimme tief. Wahrscheinlich wegen seiner langen Stimmbänder. Schließlich war er selbst sehr groß. Trotzdem überraschte mich die Tiefe. Anscheinend hatte ich von seinem feinen, hellen Haar auf eine höhere Stimme geschlossen. Beim
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