Teufelskreise (German Edition)
Alle erwarteten von mir, dass ich den magischen Kreis zog. Das wurde mir jetzt klar.
18
Während sich Johnny Frühstück machte, saß ich bei Theo im Zimmer. Vorher hatte ich noch meinen Schlafanzug und den zerrissenen Morgenmantel gegen eine hochgeschlossene Leinenjacke und eine gut sitzende, aber bequeme und alte Jeans eingetauscht. Ich hatte mein Haar gekämmt, es hochgesteckt und es wieder heruntergelassen, nur um es dann wieder mit einer anderen Spange hochzustecken. Unzufrieden zog ich die Spange wieder heraus. Was tat ich da bloß? Ich hatte mir nie viele Gedanken um meine Frisur gemacht, und nun betrieb ich so einen Aufwand, weil Johnny in ein paar Minuten zurück sein würde?
Aber es war Dr. Lincoln, der als Erster erschien. »Ich habe gehört, dass die anderen etwas von den Zwingern im Keller erzählt haben. Vielleicht sollten wir Vivian besser dort unterbringen.«
»Nein«, sagte ich kurz und knapp.
»Aber wie lange sitzt sie denn schon auf diesem Stuhl? Und, na ja … «
»Ich weiß Ihre Sorge wirklich zu schätzen, aber ich traue ihr nicht. Sie ist eine Hexe und trägt das Zeichen eines Vampirs. Sie könnte die Schlösser mit einem Chant öffnen oder vielleicht sogar die Gitterstäbe verbiegen. Ich möchte sie im Auge behalten, um sicherzugehen, dass sie keine Dummheiten anstellt. Und wenn es ihrer Meinung nach nicht bequem genug bei uns ist, dann kann ich ihr gern meinen Baseballschläger zeigen und ihr erklären, dass es mit gebrochenen Knochen noch ungemütlicher sein wird.«
»Schon gut«, lenkte der Arzt ein und ging.
Ich begann Nanas Übersetzung des Rituals zu studieren, kam aber nicht weit. Beverley erwachte und bombardierte mich sofort mit Fragen. Nachdem ich ihr erzählt hatte, was sie verschlafen hatte – was nicht sehr viel war – , ging auch sie in die Küche, um zu frühstücken. Ich wandte mich wieder der Übersetzung zu, hatte aber gerade mal zwei Worte gelesen, als Johnny mit einer üppig gefüllten Schale Lucky Charms in der Hand hereinkam – es war keine Müslischale, sondern eine kleine Rührschüssel. »Hast du vielleicht Hunger?«, fragte ich.
Er lächelte kauend. »Das ist schon meine zweite Portion.«
»Ich hoffe nur, du hast genug von dem Zeug eingekauft.« Ich strich mir glättend mit der Hand über das Haar. Wäre ich früher aufgestanden, hätte ich noch duschen können. Wenigstens das. »Hast du Beverley etwas übrig gelassen?«
»Natürlich. Wie geht es dir heute Morgen?«
»Müde. Verwirrt. Besorgt.«
Er grinste. »Also alles beim Alten.«
Ich grinste zurück. »Und wie geht’s dir?«
»Ich frühstücke mit dir – na ja, immerhin in deiner Gesellschaft. Mir könnt’s gar nicht besser gehen.« Er kaute weiter. Sein Blick fiel auf die Notizen zu dem Zauberritual. »Bist du dir absolut sicher, dass das nicht gefährlich ist?«
»Würde ich diesen Notizen und Nana glauben, dann ergäbe alles einen Sinn und ich könnte deine Frage mit Ja beantworten. Aber wenn ich ehrlich bin, dann habe ich noch nie ein Ritual von diesem Ausmaß durchgeführt.« Ich stand auf und gab ihm die Seiten, damit er selbst lesen konnte.
»Warum hat Nana den Text ins Englische übersetzt?«
»Weil ich kein Latein verstehe.« Nana hatte es nicht nur versäumt, mir die Hexenlegenden zu erzählen, sondern auch, mir alte Sprachen beizubringen. »Es ist wichtig, dass ich jede Nuance des Zaubers verstehe und bei keinem Wort verunsichert bin.«
Johnnys Blick war noch immer fragend.
»Nana ist eine gute Übersetzerin, sie wird schon alles richtig machen.« Ich trat zu Theo ans Bett. »Wenn es dich beruhigt, kann ich dir sagen, dass es sich eher um Tiefenmagie als um Hexerei handelt.«
»Und der Unterschied liegt worin?«
»Ich bin mir sicher, dass der Ältestenrat eine komplizierte und wortreiche Erklärung auf diese Frage parat hätte, aber in weniger archaischen Begriffen ausgedrückt, musst du dir Hexerei als Sand am Strand vorstellen.«
»Die Analogie gefällt mir jetzt schon«, sagte Johnny mit tiefer Stimme.
Ich ignorierte ihn und fuhr fort: »Der Sand berührt das Meer und die Luft und erstreckt sich entlang der Küste und dem Inland. So ist es auch mit der Hexerei; sie nimmt die Wellen der Macht auf – der verschiedenen Götter und Göttinnen – und berührt und beeinflusst dabei die Energie der Natur. Die Hexerei gibt dem Willen der Hexe mittels der Rituale und Zauber eine Form. Aber Tiefenmagie geht viel weiter als Hexenmagie, sie befördert den Schatz – die Macht –
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