Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
Freundlichkeit, die dieses Wesen ausstrahlte, war für ihn eine neue Erfahrung. Außerdem gesellte sich zu seinem eigenen Erstaunen ein seltsames Verlangen hinzu. Ihm kam der Gedanken, wie köstlich es wohl wäre, diesen unschuldigen Engel zu verführen. Augenblicklich schlich sich ein verräterisches Pochen in seine Lendengegend. Er musste sich aus seiner starren Haltung lösen und ein paar Schritte gehen, um sich abzulenken.
»Bist du der Teufel? Luzifer?«, unterbrach sie das Schweigen.
Beelzebub musste lachen. »Aber nein«, sagte er. Luzifer würde niemals wie ein Landstreicher durch die Hölle wandern. Er saß die liebe lange Ewigkeit auf seinem Thron und befahl all seinen Untergebenen, sich an seiner Stelle zu bewegen. Beelzebub lachte abschätzig in sich hinein.
»Kannst du mir dann sagen, wo ich ihn finde?« Ihre blauen Augen strahlten ihn so herrlich an, dass er die Leidenschaft in sich nur schwer unterdrücken konnte.
»Was willst du denn von ihm?«, fragte er.
»Ich bin auf der Suche nach einer Seele.«
»Hm.« Er nickte. »Ich weiß.«
»Das ist ja wunderbar.« Das Strahlen wurde von einem herzhaften Lächeln abgelöst, und Beelzebub hätte nicht sagen können, welches von beidem ihn mehr antörnte.
»Dann kannst du mir sagen, wo ich die Seele finde? Weißt du, ich muss sie schnell in den Himmel bringen, damit sie ihren rechtmäßigen Platz in der Ewigkeit einnehmen kann«, plapperte sie los. »Wenn ich das nicht schaffe, werde ich vermutlich niemals zurückkehren können.« Ihr Schmollmund lud regelrecht zum Küssen ein.
»Das ist natürlich ein Problem«, schlussfolgerte Beelzebub. »Wie heißt du, Engelchen?«
»Marafella.«
Er ließ sich die Buchstaben auf der Zunge zergehen. Engel besaßen stets wohlklingende Namen, ganz im Gegensatz zu den Wesen der Unterwelt, die vordringlich darauf abzielten, Angst und Schrecken zu verbreiten.
»Und wer bist du?«, fragte sie.
»Be…öh«, unterbrach er sich. Es wäre äußerst unklug, ihr zu verraten, dass er die rechte Hand Luzifers war. Mit dieser Masche würde er sie vermutlich in einer Trillion Jahren nicht in die Kiste bekommen.
»Be-öh«, sinnierte sie unterdessen. »Also, ich weiß nicht. Ihr habt sehr seltsame Namen hier unten.«
»Ben«, sagte er. »Ich heiße Ben.« Das konnte man als glaubhafte Abkürzung durchgehen lassen, entschied er, und zeigte ihr sein charmantestes Lächeln. Eine leichte Röte zeichnete sich auf ihren Wangen ab. Er genoss die betörende Wirkung, die er allem Anschein nach auf sie hatte.
»Nun, Ben, kannst du mir helfen, die Seele zurück zu bekommen, damit ich sie in den Himmel bringen kann?«
Unter normalen Umständen wäre das für Beelzebub überhaupt kein Problem gewesen. Aber die Seele schwirrte unkontrolliert durch die Hölle. Es war nicht leicht, wenn nicht sogar unmöglich, sie wieder einzufangen. Je länger er darüber nachdachte, umso schmerzlicher wurde ihm bewusst, dass ihm für eine solche Situation schlichtweg die Erfahrung fehlte.
»Natürlich kann ich dir helfen«, log er. Marafella war viel zu schön, um sie einfach wieder gehen zu lassen. Er wollte noch ein wenig Zeit mit ihr verbringen, sie umgarnen und verführen. Welch einen Spaß würde ihm das bereiten!
Marafella tat einen tiefen Atemzug. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich bin«, sagte sie. »Dann los! Lass uns keine Zeit verlieren.«
»Sicher.« Beelzebub nahm sie bei der Hand. Er war überrascht, wie weich sich ihre Haut anfühlte, ganz anders als seine rauen Pranken. Sicher würden sich ihre Finger auch hervorragend an seine restlichen Körperstellen schmiegen. Das hätte er gerne sofort ausprobiert, schaffte es aber, sich zu beherrschen.
»Wir gehen hier lang«, sagte er und führte sie hinein in ein Labyrinth aus Gängen, die alle gleich und doch auf eigenartige Weise anders aussahen. Er wusste, dass er die Täuschung nicht ewig aufrechterhalten konnte. Früher oder später würde sie eine Lösung erwarten, und es gab in der gesamten Hölle nur eine einzige Kreatur, die ihm da wieder heraus helfen konnte.
6.
Marafella wurde allmählich mürbe von der Hitze, die in der Unterwelt herrschte. Sie schleppte sich hinter Ben die verschlungenen Wege entlang, konnte sich jedoch kaum noch aufrecht halten. Die Augen fielen ihr ein ums andere Mal zu, und sie betete um alle Himmelsmächte, dass diese Tortur bald ein Ende finden würde.
Ben schien ihr Unwohlsein zu bemerken. Er reichte ihr ein graues Tuch, wo auch
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