Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
weinen. Das hätte ihm sicherlich leidtun sollen, aber in diesem Moment war es ihm egal. Er hatte dringendere Probleme zu bewältigen. Ohne einen Blick zurück lief er in Richtung der Gerichtsobrigkeit und sah mit Schrecken, wie Justitia gerade im Begriff war, zu einem Schlag gegen Marafella auszuholen. Mit einem Hechtsprung erreichte er seinen geliebten Engel und warf sie von den Füßen. Justitia schnaubte. Sie packte ihn am Kragen und zog ihn von Marafella hoch.
»Duuu…«, setzte Justitia an. »Du Teufel! Wie kannst du es wagen?«
Er zappelte unter ihrem festen Griff. Erst jetzt erinnerte er sich wieder an ihre Stärke. Wie hatte er das nur vergessen können?
»Lasst sie in Ruhe! Sie hat nichts getan«, versuchte er Marafella zu verteidigen. »Wenn hier einer die Schuld an allem trägt, dann ich. Nehmt mich und bestraft mich. Ich kann alles ertragen. Mein Dasein ist ohnehin verwirkt.«
»Nein, so ein Unsinn«, protestierte Marafella. »Das ist alles nur meine Schuld. Ich hätte einfach besser auf die Seele aufpassen sollen, dann wäre dieser ganze Schlamassel gar nicht passiert.«
»Genau«, mischte sich nun auch noch Laurena ein. »Nehmt sie und bestraft sie. Wenn sie nicht aufgetaucht wäre, wäre alles viel schöner.«
»Hm«, machte Justitia. Sie ließ von Beelzebub ab und legte nachdenklich einen Finger an ihr Kinn. »Interessant. Meinst du nicht auch, Aequitas?«.
Der nickte zustimmend. Daraufhin taten die beiden nichts weiter, als schweigend Blicke auszutauschen. Offenbar kommunizierten sie in Gedanken miteinander. Beelzebub hielt das durchaus für möglich. Immerhin besaß die Gerichtsobrigkeit ungeheure Macht und konnte praktisch alles tun, was sie wollte. Währenddessen stand er neben Marafella und Laurena vor den beiden riesigen Gestalten und hoffte auf ein gnädiges Urteil, wenigstens für Marafella. Er selbst würde jede Strafe akzeptieren. Die Erkenntnis, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, um sich von seinem Engel zu trennen, schmerzte ohnehin am meisten. Viel schlimmer konnte es nicht werden.
Justitia und Aequitas wandten sich ihnen nach einem scheinbar unendlich langen Moment wieder zu. Beide lächelten zufrieden, und wie gewohnt, erhob Justitia die Stimme, um die Entscheidung zu verkünden.
»Engel, du hast Glück.« Sie wies Aequitas mit einem Handwink an, Marafella die Flasche mit der Seele zu überreichen. Mit deutlich verwirrtem Blick nahm Marafella sie entgegen. »Du wirst zurückkehren. In den Himmel. Sofort. Und endlich die Seele dort abliefern, wo sie hingehört.«
»Natürlich. Ich danke Euch.«
»Da gibt es nichts zu danken. Wir kümmern uns nur darum, dass dein Job erledigt wird. Deine Bestrafung übernimmt Rufus. Da sind wir uns sicher.«
Beelzebub fing Marafellas Blick auf. Sie wirkte traurig und unentschlossen und vielleicht auch ein wenig wütend. Ob sie ihm wohl jemals vergeben würde, dass er ihr seine wahre Identität verschwiegen hatte? Er seufzte und sagte sich, dass es überhaupt keine Rolle spielte. Marafella und er würden sich nie wieder begegnen.
»Geh schon, Engel«, unterbrach Justitia den intensiven Blickkontakt zwischen ihnen. »Du hältst uns nur unnötig auf. Wie ich schon erwähnte, möchte ich noch vorm Morgengrauen im Dungeon vorbei schauen.«
Marafella hob eine Hand zum Abschied. »Mach’s gut«, flüsterte sie beinahe tonlos. Beelzebub wusste, dass sie nur ihn meinte, und alle anderen ihr vollkommen gleichgültig waren. Sie hielt die Flasche mit der Seele mit beiden Armen fest umklammert, als könnte sie ihr ein weiteres Mal entwischen. Dann schoben sich ihre Flügel ganz langsam aus ihrem Rücken, breiteten sich weit zu den Seiten aus. Es waren mächtige Schwingen, die ihre Gestalt noch zierlicher wirken ließen als sie ohnehin schon war. Die Kleidung, die sie in Marjories Spa erhalten hatte, fiel von ihrem Körper ab und machte Platz für ihr strahlend weißes Engelshemd. Zwei Flügelschläge später schwebte sie in der Luft. Mit einem Fingerschnipsen von Justitia war sie schließlich ganz verschwunden.
Beelzebub fühlte einen heftigen Stich in seinem Brustkorb. Er wollte sterben und jetzt wäre der richtige Augenblick dafür. Aber Justitia und Aequitas wollten ihn ganz offensichtlich nicht so einfach davon kommen lassen.
»Teufel, du kommst später an die Reihe«, entschied die Dame der Gerichtsobrigkeit. »Zuerst müssen wir uns überlegen, was wir mit der Fee machen.«
»Mit mir!?« Laurena zeigte mit einer Hand auf sich selbst. »Ich
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