Teufelsleib
nie durchhalten, allein schon deiner Familie wegen.«
»Ja, aber träumen darf ich doch mal.«
»Wenn ich mit dabei bin.«
»Du bist immer in meinen Träumen, liebste Elvira.« Nach einer Pause fügte er leise hinzu: »Ich sage dir jetzt was: Auch wenn es pathetisch klingt, aber in bin heilfroh, dass ich das nicht allein durchziehen muss. Ich meine, ich bin heilfroh, dass ich dich an meiner Seite habe. Na ja, ich bin einfach froh, dass wir die ganze Zeit zusammen sind. Und ich bin froh, dass ich dich habe. Hört sich doof an, was?«
»Nein, ganz im Gegenteil. Mach ruhig weiter, ich könnte dir stundenlang zuhören.«
»Es ist schön, mit dir zu ermitteln. Alles ist schön mit dir.«
»Mir geht’s genauso. Jetzt hören wir aber auf damit und heben uns alles Weitere für später auf. Komm, die Arbeit ruft.«
»Können wir vorher vielleicht noch eine Kleinigkeit essen? Mir würde schon ein belegtes Brötchen reichen.«
»Du sollst ja nicht verhungern«, antwortete Elvira und ging mit Brandt zum Wagen. Als sie aus dem Bachforellenweg hinausfuhren, dachte sie, dass sie um nichts in der Welt hier wohnen wollte. Dieses Viertel gefiel ihr nicht, ohne dass sie hätte sagen können, warum. Und Peter hat recht, dachte sie weiter, den Blick auf die Uniklinik brauche ich nicht.
Samstag, 16.10 Uhr
W inkler, der Pfarrer der Andreas-Gemeinde in Offenbach-Bieber, empfing sie mit einem freundlichen Lächeln, doch seine Augen blieben kühl und dunkel. Sie schienen bis ins tiefste Innere eines Menschen zu blicken.
»Herr Winkler«, sagte Brandt, nachdem er seinen Ausweis gezeigt und auch Elvira vorgestellt hatte, »dürften wir bitte kurz mit Ihnen sprechen?«
»Natürlich, worum geht es denn?«, fragte er mit warmer Stimme, die den Ausdruck in seinen Augen relativierte. Brandt schätzte ihn auf Mitte, Ende dreißig, ein junger Pfarrer, der einer großen Gemeinde vorstand. Er war etwa eins achtzig groß, fast asketisch hager und trug legere Kleidung, was Brandt bisher bei katholischen Pfarrern noch nicht gesehen hatte. Die schwarzen Haare waren modisch kurz geschnitten, die Hände gepflegt.
»Wenn wir reinkommen dürften, hier draußen ist es doch ein wenig kalt«, sagte Elvira lächelnd.
»Entschuldigen Sie bitte, ich war eben nur etwas verwirrt, Polizei und Staatsanwaltschaft gleichzeitig vor meiner Tür zu haben. Treten Sie ein, ich gehe vor.«
Sie kamen in sein Büro, das sauber und aufgeräumt war, der angenehme Geruch von Patschuli hing in der Luft. Winkler bot ihnen einen Platz an und setzte sich hinter seinen ausladenden, dunkelbraunen Schreibtisch. Er faltete die Hände und sah die Beamten fragend an.
»Herr Winkler«, sagte Brandt, »wir sind, wie Sie sich denken können, nicht ohne Grund zu Ihnen gekommen. Es geht um Frauen, die Sie möglicherweise näher kennen …«
»Wenn ich Sie unterbrechen darf.« Winkler lächelte freundlich. »Ich bin katholischer Pfarrer und somit …«
»So meinte ich das nicht«, unterbrach ihn Brandt. »Es handelt sich um Mitglieder Ihrer Gemeinde. Genauer gesagt geht es um drei tote Frauen. Von zweien wissen wir definitiv, dass sie regelmäßig Ihre Gottesdienste besucht haben, bei der anderen sind wir uns nicht sicher.«
Winklers Miene hatte sich schlagartig verändert, sie war ernst, fast starr geworden, als ahnte er, was auf ihn zukam.
»Ich weiß nur von einem Fall, Anika Zeidler. Ich habe den Trauergottesdienst geleitet. Eine tragische Geschichte, die uns alle sehr mitgenommen hat, wie Sie sich vorstellen können. Anika war beliebt, sie hatte ein offenes, einnehmendes Wesen. Um wen geht es noch?«
»Am besten sehen Sie sich diese Fotos an und sagen uns, ob Sie die andern beiden kennen.«
Brandt zog die Bilder aus seiner Jackentasche und legte sie auf den Tisch. Winkler betrachtete sie und nickte. »Ja, ich kenne die Frauen, aber ich bin mir nicht sicher, woher. Hier, sie«, er deutete auf Linda Maurer, »ich meine, sie war oft im Gottesdienst, aber nie allein. Lassen Sie mich überlegen … Sie kam, ja doch, sie kam meist mit Familie Weber, und ich meine sogar, dass sie in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander stehen. Aber inwieweit kann ich nicht sagen. Vielleicht sollte ich Ihnen erklären, dass meine Gemeinde vom Mitgliederschwund verschont geblieben ist und wir im Gegensatz zu anderen sogar einen Zuwachs zu verzeichnen haben. Manchmal reichen sonntags die Plätze kaum aus. Deshalb kenne ich beileibe nicht jedes Mitglied persönlich, und viele
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