Teufelsleib
Fragen, die der Beamte ihm stellte. »Herr Trautmann«, sagte dieser schließlich, »warten Sie bitte hier, die Kollegen vom KDD müssten jeden Moment eintreffen. Sie werden mit Ihnen nach Hause fahren, dort geben Sie ihnen möglichst aktuelle Fotos von Ihrer Frau und Ihrer Tochter.«
»Das ist ein Alptraum, verstehen Sie? Wir sind seit zweiunddreißig Jahren verheiratet, und so etwas ist noch nie vorgekommen. Meine Frau und meine Tochter gehen öfter alleine weg, sie gehen ins Theater, ins Kino, ins Ballett … Manchmal gehe ich mit, aber das Konzert heute hat mich nicht interessiert. Mein Gott, hätte ich sie doch begleitet!«
Bevor der Beamte etwas erwidern konnte, ging die Tür auf und zwei Kollegen vom Kriminaldauerdienst kamen herein, stellten sich Trautmann als Hauptkommissar Schulze und Oberkommissar Weiner vor und besprachen sich anschließend kurz in einem Nebenraum mit dem Beamten, der das Protokoll aufgenommen hatte, bevor sie sich wieder Trautmann zuwandten.
»Herr Trautmann, können wir fahren?«, sagte Schulze, ein etwa fünfzigjähriger, stiernackiger Mann mit breiten Schultern. »Wie Ihnen bereits gesagt wurde, benötigen wir aktuelle Fotos Ihrer Frau und Ihrer Tochter.«
»Natürlich. Und danke für Ihre Hilfe«, sagte Trautmann zu dem uniformierten Beamten und seiner Kollegin, die ihm einen beinahe mitleidigen Blick zuwarf.
»Viel Glück«, war die Antwort.
Um 3.12 Uhr betrat Trautmann mit Schulze und Weiner sein Haus. Thomas begrüßte die Beamten, er wirkte verstört.
»Thomas, wo haben wir aktuelle Fotos von Mama und Juliane?«
»Ich hab von Weihnachten welche auf dem Computer. Ich kann sie schnell ausdrucken.«
»Sie müssen aber gut zu erkennen sein«, meinte Weiner.
Nach fünf Minuten kehrte Thomas mit je zwei Fotos seiner Mutter und Schwester zurück.
»Bitte«, sagte er.
»Okay, ich möchte Sie bitten, hierzubleiben, wir melden uns, sobald wir etwas wissen. Und wenn Sie von Ihrer Frau und Tochter hören, geben Sie uns bitte umgehend Bescheid.«
»Könnte es sein, dass sie entführt wurden?«, fragte Trautmann.
»Wir können zu diesem Zeitpunkt nichts ausschließen, es wäre auch verfrüht, Vermutungen anzustellen. Eine Frage jedoch muss ich noch stellen: Hatten Sie heute beziehungsweise gestern Streit oder eine heftige Auseinandersetzung?«
»Nein, so etwas gab es bei uns nie.«
»Würden Sie Ihre Ehe als glücklich bezeichnen?«
»Hören Sie«, mischte sich jetzt Thomas ein, »meine Eltern sind glücklich, wir sind eine glückliche Familie. Sie brauchen uns solche Fragen nicht zu stellen. Suchen Sie lieber meine Mutter und meine Schwester.«
»Wir müssen diese Fragen stellen. Aber danke für die Auskunft.«
Im Auto sagte Schulze: »Schon seltsam, oder? Zwei Frauen verschwinden spurlos. Wären sie entführt worden, hätten der oder die Entführer sich doch längst gemeldet. Und dass sie einfach abgehauen sind, halte ich für unwahrscheinlich.«
»Holen wir Peter aus dem Bett?«, fragte Weiner.
»Hab ich auch schon drüber nachgedacht. Der wird sich freuen. Aber ich werde nicht den Fehler begehen und unnötig Zeit verstreichen lassen. Ich fürchte, es hat mit seinem Fall zu tun. Die Kirche, das ganze Drumherum. Da ist was ganz Fieses im Gange. Wer ruft an?«
»Ja, ja, ich mach’s schon«, sagte Weiner und wählte die Handynummer von Brandt, der noch bis acht Uhr Bereitschaft hatte.
Montag, 0.06 Uhr
E r hatte gewartet, bis Erika und Juliane Trautmann zu sich gekommen waren. Die Neonröhren hatte er ausgeschaltet, die Scheinwerfer waren direkt auf die beiden Frauen gerichtet. Er saß nach wie vor hinter seinem Schreibtisch, sie konnten ihn nicht erkennen, sie konnten ihn nicht einmal sehen. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen, die Arme lagen auf den Stuhllehnen. Seine Miene war regungslos, versteinert fast.
»Hallo!«, rief Juliane und versuchte durch das gleißende, in den Augen schmerzende Licht hindurchzusehen, doch es gelang ihr nicht.
»Hallo, ist da jemand?«, rief sie noch lauter und ohne die Angst in ihrer Stimme unterdrücken zu können.
Er antwortete nicht.
»Du bist doch hier! Johannes! Johannes!!!«, schrie Juliane, die langsam wieder zu Kräften kam.
»Johannes, was hast du vor?«, sagte Erika Trautmann mit matter Stimme. »Bitte, erklär uns, was das soll? Warum sind wir nackt und gefesselt? Johannes, ich weiß doch, dass du da bist, ich spüre es. Was ist los? Rede mit uns!«
Er setzte sich gerade hin und wartete noch ein paar Sekunden,
Weitere Kostenlose Bücher