Teufelsleib
Einnahmen finanzierte. Allerdings ließ sich dies nicht eindeutig beweisen.
Auch Bettina Schubert war erdrosselt worden, jedoch nicht mit einem Schal, sondern mit einem schmalen Gürtel, der tiefe und sehr gut sichtbare Wunden am Hals hinterlassen hatte. Laut Gerichtsmedizin hatte sie sich ungefähr zweieinhalb bis drei Stunden in der Gewalt ihres Mörders befunden, was durch einen extrem erhöhten Wert der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und ACTH belegt werden konnte. Doch im Gegensatz zu Anika Zeidler war die Schubert über mehrere Stunden hinweg geschlagen und geschändet worden, womöglich hatte sie in den letzten Minuten ihres Leidens ihren Peiniger angefleht, sie doch endlich von ihrem Leiden zu erlösen und zu töten. Ihre Leiche wurde von einer Kollegin etwa zwölf Stunden nach Todeseintritt gefunden, die sich über die nur angelehnte Wohnungstür gewundert hatte. Niemand hatte am Tatabend eine verwertbare Beobachtung gemacht, fünf Frauen sagten einhellig aus, dass Bettina Schubert gewöhnlich donnerstags und freitags nicht gearbeitet hatte. Offensichtlich hatte sie diesmal eine Ausnahme gemacht.
Nach wie vor rätselte man, ob beide Frauen von ein und demselben Täter umgebracht worden waren. Zwar waren beide erdrosselt worden, aber es gab eklatante Unterschiede: Bettina Schubert war mehrfach auf brutalste Weise vergewaltigt worden, wobei der Täter ihr die Hände zusammengebunden und ihr einen Knebel in den Mund gesteckt hatte. Er hatte ihr den Kiefer und das Jochbein zertrümmert, beide Trommelfelle waren durch kräftige Schläge zerfetzt worden, die Augen dick angeschwollen, mehrere Zähne ausgeschlagen, der Vaginal- und Analbereich eine einzige klaffende Wunde, die nicht nur von den Penetrationen des Täters herrührten, sondern auch von Gegenständen, mit denen er sie gequält hatte. Nach dem Erwürgen hatte er sie mit achtundvierzig Messerstichen verstümmelt. Eine sadistische Bestie, wie ein Kollege treffend formuliert hatte, obgleich Brandt den Ausdruck Bestie nicht mochte. Blut an den Wänden, ein blutdurchtränktes Laken, Blut auf dem Boden. Ein Blutrausch, in dem der Täter jegliche Kontrolle über sich verloren zu haben schien. Einer der Streifenbeamten, die als Erste vor Ort gewesen waren, hatte sich beim Anblick der Leiche übergeben müssen. Auch Brandt hatte sich der Magen gehoben, doch er hatte sich schnell wieder gefasst. Zu viele Tote, auch übel zugerichtete, hatte er schon gesehen. Zu oft war er in der Rechtsmedizin gewesen, hatte verstümmelte und verkohlte Leichen zu Gesicht bekommen.
Wie bei Anika Zeidler hatte der Täter nichts von sich hinterlassen, kein Sperma, kein Blut, nicht einmal Fasern. Die Spurensicherung hatte zwar unzählige verschiedene Fingerabdrücke sichergestellt, doch nicht einen, der in der Datenbank gespeichert war.
Während seine Kollegen von zwei Tätern ausgingen, war Brandt zunehmend davon überzeugt, dass sie es mit ein und demselben Täter zu tun hatten, der lediglich seine Vorgehensweise verändert hatte und beim zweiten Mord ungleich brutaler vorgegangen war. Es gab in der Kriminalgeschichte viele Täter, die mit einem relativ simplen Mord begannen und sich nach und nach in immer schlimmere Grausamkeiten steigerten.
All dies blieben Theorien, es gab nicht einen Hinweis auf den Täter, und das machte Brandt rasend. Er hatte oft und lange mit seinen Kollegen, allen voran seinem Vorgesetzten und Freund Bernhard Spitzer, und mit Elvira Klein diskutiert, ohne zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Sie hatten beide Morde miteinander verglichen, unzählige Szenarien erstellt, wie sich alles abgespielt haben könnte, hatten zahlreiche Tat- bzw. Fundortfotos der beiden Frauen an die Wand gepinnt und diskutiert und diskutiert und diskutiert.
Anika Zeidler war in Offenbach geboren und aufgewachsen, sie war hier zur Schule gegangen und hatte die meiste Zeit ihres jungen Lebens in und um Lauterborn verbracht. Mit neunzehn war sie ausgebrochen, hatte ein neues, für alle unbekanntes Leben begonnen, ein Leben im Luxus, das mit kaum zweiundzwanzig Jahren ein schreckliches Ende gefunden hatte.
Bettina Schubert stammte aus Neuss in Nordrhein-Westfalen und war vor vier Jahren aufgrund eines Jobangebots einer Frankfurter Spedition, wo sie in der Buchhaltung arbeitete, mit ihrem Mann nach Offenbach gezogen. Aber mit achtundzwanzig war auch ihr Leben vorbei. Ausgelöscht von einem grausamen Killer, dem ein Menschenleben nichts zu bedeuten schien.
Wenn es
ein
Täter
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