Teufelsleib
zugeschlagen hat, das heißt, seine Abstände werden nicht kürzer …«
»Noch nicht, falls dich meine unqualifizierte Meinung interessiert«, warf Andrea ein.
»Lass es raus, ich bin für alles offen. Was sagt dir dein Gefühl?«
»Er wird es wieder tun, und für meine Begriffe wird er die Abstände verkürzen.«
»Und was bringt dich zu dieser Annahme?«
»Mein Gefühl, danach hast du ja gefragt. Er ist wütend, zornig, voller Hass. Er ist mit sich und der Welt unzufrieden und hat ein Ventil gefunden … Nimm’s nicht so schwer, so weißt du jetzt wenigstens, dass du es
nur
mit einem Mörder zu tun hast.«
»Hey, es reicht, mir ist heute nicht zum Lachen zumute. Ich habe da noch einen anderen ziemlich harten Fall …«
»Tschuldigung, war nur eine Feststellung und nicht als Scherz gemeint. Anika Zeidler, Bettina Schubert und … Wie heißt sie eigentlich?«
»Im richtigen Leben Linda Maurer, hier hat sie sich Yvonne genannt. Sie war eine Edelnutte der teuersten Kategorie.«
»Wie die andern zwei …«
»Nee, nee, die Zeidler war eine Edelnutte, die Schubert hat in einem Puff gearbeitet. Das Problem bei der Maurer ist, sie hat zwei Kinder, zehn und zwölf Jahre alt. Und einen Ehemann, der an der Flasche hängt und sich um nichts mehr kümmert. Die Maurer hat ein Doppelleben geführt, das war geradezu perfekt. Hat ihre komplette Familie über Jahre hinweg angelogen und klammheimlich ein kleines Vermögen angehäuft.«
»Erzähl’s mir ein andermal. Hey, du wirst ihn kriegen«, sagte Andrea und klopfte ihm auf die Schulter, das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass sie ihn berührte. Es tat ihm gut, auch wenn oder gerade weil es ihm miserabel ging. Er legte die Fotos in einen Plastikbeutel und steckte ihn ein.
»Aber was treibt eine Ehefrau und Mutter dazu, sich zu prostituieren?«, fragte Andrea. »Was? Ich meine, sie war eine bildschöne Person, aber …«
»Wie lange bist du noch hier?«, sagte Brandt, und es klang wie eine Bitte, auf ihn zu warten. »Ich müsste noch schnell was klären. Dauert nur ein paar Minuten. Wartest du?«
»Aber wirklich nur ein paar Minuten.«
»Danke, bin gleich zurück.«
Er klingelte bei Nathalie Groß und ging, nachdem sie die Tür geöffnet hatte, direkt an ihr vorbei in die Wohnung. Er schloss die Tür hinter ihnen. »Sagen Sie, warum schlafen Sie mit fremden Männern? Bitte unterbrechen Sie mich nicht, meine Frage hat einen Grund. Warum hat es Frau Maurer getan? Wenn mir jemand diese Frage beantworten kann, dann doch wohl Sie.«
Brandt sah die junge Frau erwartungsvoll an, sie blieb für einen Augenblick vor ihm stehen, als wollte sie ihn mustern oder in ihn hineinschauen. Sie ging vor Brandt ins Wohnzimmer und sah aus dem Fenster. »Es geht ums Geld. In dieser verrückten Welt dreht sich doch alles nur ums Geld. Mein Mann arbeitet seit sieben Jahren als stellvertretender Filialleiter bei einem Lebensmitteldiscounter. Er kommt am Tag auf zwölf bis vierzehn Stunden, es können auch mal sechzehn werden. Dafür, dass er schuftet wie ein Maulesel, verdient er nicht mal zweitausendfünfhundert im Monat – brutto. Manchmal wird er an seinem freien Tag angerufen und gefragt, ob er kommen könne. Das ist aber keine Frage, sondern ein Befehl. Wenn er sich widersetzt, das weiß er, steht er sofort auf der Abschussliste. Die finden immer einen Grund …«
»Frau Groß, Sie verdienen doch so viel, dass Sie in vier, fünf Jahren ausgesorgt haben und …«
»Mag sein, ich versuch’s zumindest. Aber um eines klarzustellen: Ich arbeite nicht dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr, ich brauche hin und wieder auch mal eine Auszeit, und wenn es nur zwei oder drei Tage sind. Dann fahre ich irgendwo hin, wo ich meine Ruhe habe. Mal in die Berge, mal ans Meer. So alle zwei Monate nehme ich mir die Freiheit. Und den Montag versuche ich auch für mich zu nutzen, da lege ich die Beine hoch, gehe shoppen und so weiter … Außerdem ist da noch das Finanzamt, ich muss mir regelmäßig neue Kleidung zulegen, und ich versichere Ihnen, meine Kunden haben ein Auge dafür, ob die Sachen aus einem Billigladen stammen oder aus einer Boutique in der Goethestraße oder der Königsallee oder … Andererseits haben Sie schon recht, ich komme momentan sehr gut über die Runden und kann jeden Monat eine ordentliche Summe zur Seite legen.«
»Und Sie fahren einen Porsche, besitzen eine teure Wohnung und …«
»Man gönnt sich ja sonst nichts. Den Porsche hat mir ein Kunde
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