Teufelsleib
zu lassen.«
»Ich will Sie nicht weiter aufhalten. Sie haben mir sehr geholfen, vielen Dank.«
»Gern geschehen. Finden Sie diesen Hurensohn und lassen Sie ihn leiden, bis er um den Tod fleht … Ja, ja, ich weiß, Sie dürfen vom Gesetz her nicht mal so denken, aber ich darf’s. Und ich schwöre Ihnen, sollte ich herausfinden, wer es war, bringe ich ihn eigenhändig um. Tschüs. Ach ja, was ich Ihnen noch sagen wollte – Sie sind ein sehr netter Mann. Kein übler Bulle. Wenn Sie mal Bedarf haben zu reden oder … Sie wissen ja, wie Sie mich erreichen. Ich mache auch hin und wieder einen Sonderpreis.«
»Danke für das Angebot, aber ich bin gut versorgt. Eine letzte Frage noch: Woher stammen Ihre Vorfahren?«
»Meine Eltern kommen aus Spanien, ich bin aber hier geboren. Warum?«
»Es hat mich interessiert. Und noch etwas: Bitte kein Wort an die Presse.«
»Das hätten Sie mir nicht zu sagen brauchen, die kriegen nichts von mir.«
Brandt trat mit Nathalie Groß hinaus auf die Straße, die jetzt nur noch im Licht der Straßenlaternen zu erkennen war. Bevor sie sich endgültig verabschiedeten, sagte er: »Entschuldigung, ich hätte doch noch eine allerletzte Frage: Wie konnte Frau Maurer es mit ihrem Gewissen vereinbaren, ihre Kinder so oft sich selbst zu überlassen? Von ihrem Mann hatte sie ja keine Unterstützung zu erwarten.«
»Das hat sie tatsächlich sehr belastet. Aber sie hatte ein Ziel und sagte, sie wolle unter gar keinen Umständen, dass ihre Kinder einmal in dem Elend leben, in dem sie all die Jahre über gelebt hat. Es war eine Frage des Abwägens. Außerdem hatte sie ja noch ihre Schwester, die die Kinder jederzeit gerne genommen hat. Trotzdem tat es ihr leid, nicht rund um die Uhr für ihre Kinder da zu sein. Ich hoffe nur, dass Lara und Tobias das Geld kriegen, das Linda zur Seite geschafft hat. Verdient hätten sie’s.«
»Danke für Ihre Offenheit und einen schönen Abend.«
»Ihnen auch … Müssen Sie der Familie die traurige Botschaft überbringen?«
»Leider.«
»Viel Glück dabei. Ich wäre dazu nicht in der Lage.«
»Wird schon schiefgehen.«
Brandt setzte sich in seinen Dienst- BMW , während die junge Frau zu einem weißen Porsche ging. Er wartete, bis sie losgefahren war, und stieg noch einmal aus. Vergeblich hielt er nach Linda Maurers rotem Mercedes Ausschau.
Während der Fahrt zurück ins Präsidium rief er Elvira Klein an. Er teilte ihr mit, was geschehen war und dass er in spätestens einer Stunde bei ihr sein würde.
»Treffen wir uns doch im Präsidium«, sagte sie. »Ich will nicht, dass wir beide das allein besprechen. Bis gleich.«
»Bis gleich.«
Freitag, 17.05 Uhr
E r hatte in der Nacht zuvor nicht lange geschlafen und einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich. Dazu war er auch noch umsonst
nach Frankfurt gefahren, denn das, was er gesucht hatte, war gar nicht vorhanden gewesen.
Als er nach Hause kam, machte er sich zwei Scheiben Brot mit Wurst und Käse und trank dazu ein Glas Wasser. Beim Essen ließ er noch einmal den vergangenen Abend und die Nacht Revue passieren und lächelte. Er war glücklich, wenn es einen Zustand wie Glück überhaupt gab, denn die Frage, was Glück denn sei, trieb ihn schon um, solange er zurückdenken konnte. War Glück ein kurzfristiges Erlebnis, das einen freudig stimmte, aber bald in Vergessenheit geriet, weil der Alltag alles zerstörte? Musik, die für ein paar Minuten oder auch Stunden eine gute Stimmung aufkommen ließ? Ein Film, der das Tiefste der Seele berührte? Dies alles ist vergänglich, zu dem Schluss war er vor Jahren gelangt. Für ihn gab es kein wahres und schon gar kein dauerhaftes Glück, dazu war die Welt zu verkommen. Es gab nur das Hier und Jetzt und das, was man daraus machte.
Während er aß und die Stille in seinem Zimmer genoss – das leichte Rauschen in seinen Ohren empfand er nach dem Lärm, dem er fast sieben Stunden lang ausgesetzt gewesen war, als wohltuend –, dachte er an Yvonne. Er lächelte, und einmal gluckste er auf, als eine bestimmte Szene an seinem inneren Auge vorüberzog. Es war ein grandioser Abend gewesen, mit einem perfekten Abschluss. Auch wenn Yvonne wie eine Löwin dafür gekämpft hatte, am Leben zu bleiben. Ein Leben, das sie nicht verdient hatte. Nicht sie und auch nicht Anika Zeidler oder Bettina Schubert. Drei Frauen von vielen, die er so gut kannte und die ihn doch nie erkennen würden, weil er sich stets im Hintergrund hielt, ein unscheinbarer Mann, dem niemand
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