Teufelsleib
auftauchst. Oder wie sie dich manchmal ansieht. Ich würde behaupten, das ist fast ein verliebter Blick.«
»Du hast sie doch nicht mehr alle! Ich und Marion. Willst du mich verkuppeln oder was?«
»Warum wirst du auf einmal rot? Und so aggressiv? Hab ich einen Nerv getroffen? Komm, gib’s doch zu, du magst sie auch. Manchmal braucht man jemanden, der einen auf den rechten Pfad führt. Und du musst dich nicht schämen …«
»Lass mich zufrieden.«
»In der Schrift steht, dass es nicht gut ist, wenn Mann und Frau allein leben. Seid fruchtbar und mehret euch, heißt es dort.«
»Jetzt hör doch mal auf damit, ich finde schon noch meine Frau, okay?«
»Davon bin ich überzeugt. Und jetzt muss ich mich um meine Schäfchen kümmern. Es geht schließlich um Lobpreisung. Und wenn du reden willst, du weißt, wo du mich findest, ich bin fast immer da. Und denk wirklich mal über Marion nach. Oder besser noch, frag Gott um Rat, er weiß alles, auch wie es in deinem Herzen aussieht. Er sieht das Gute und das Böse, das Ängstliche und das Mutige. Jeder hat eine Aufgabe zu erfüllen. Auch du. Und auch Marion.«
»Na und? Ich habe aber eine andere Vorstellung von Frau.«
»Siehst du, und sie hat ganz bestimmt auch einmal eine andere Vorstellung von Mann gehabt, bis sie dich etwas besser kennenlernte. Verstehst du jetzt, was ich meine? Sie ist ja keine alte vertrocknete Jungfer, sie sieht gut aus, um nicht zu sagen sehr gut, sie bringt sich in der Gemeinde ein, sie hat einen ordentlichen Job, sie ist sehr gläubig und lebt Werte, die in unserer Welt längst verlorengegangen sind …«
»Kümmere dich um deine Schäfchen, ich habe keine Lust, darüber zu reden. Nicht heute.«
»Gut, dann ein andermal. Die Zeit läuft uns ja nicht davon.«
»Was ist mit morgen Abend und dem Essen am Sonntag? Du kommst doch, oder?«
»Warum sollte ich nicht kommen? Aber erst mal sehen wir uns morgen Nachmittag. Nicht vergessen«, sagte er und hob mahnend den Finger.
»Klar, ich kann dich ja schlecht im Stich lassen.«
»Das wollte ich hören.«
Um einundzwanzig Uhr verabschiedeten sich die Letzten, er räumte noch ein wenig auf, bis der Küster kam und sagte, er könne das ruhig stehen lassen, sonst müsse man morgen wieder alles aufbauen.
Draußen zog er sein Handy aus der Jackentasche und wählte Marions Nummer.
»Ja, bitte?«, meldete sie sich mit einer weder heiser noch krank klingenden Stimme. Sie klang wie immer, etwas rauchig, mit einem Hauch Verruchtheit.
»Marion?«, fragte er mit verstellter Stimme.
»Georg?«, fragte sie.
Er schwieg, sie hatte seine Stimme nicht erkannt.
»Hallo, wer ist denn da? Ich kann nichts hören. Hallo, bitte melden, wenn da jemand ist, der mich sprechen will«, sagte sie lachend in den Hörer. »Wenn du’s bist, Georg, dann ist dir der Witz gelungen. Ich leg jetzt auf, das wird mir zu blöd. Und außerdem mag ich es nicht, wenn mich jemand anruft und seine Nummer unterdrückt.«
»Hallo?«, sagte er mit verstellter Stimme, als wäre die Verbindung gestört und kratzte gleichzeitig an der Sprechmuschel.
»Ja, was ist denn? Versuch’s doch gleich noch mal. Ciao, ciao.«
Sie legte auf, und er steckte sein Handy ein. Er würde nicht noch einmal anrufen, und es war gut, dass er seine Nummer unterdrückt hatte.
Langsamen Schrittes begab er sich zu Marions Wohnung, die keine zehn Minuten entfernt war. Hinter den beiden Fenstern im ersten Stock des Mehrfamilienhauses brannte Licht, und er konnte sehen, dass der Fernseher lief. Lügnerin, dachte er, du bist auch nur eine elende Lügnerin.
Er blieb eine Zeitlang auf der anderen Straßenseite im Dunkel eines Hauseingangs stehen und sah sie im Zimmer umherlaufen. Er fror, die Kälte kroch von unten nach oben, dazu kam ein eisiger Wind. Er blieb gut fünf Minuten stehen und wollte bereits den Heimweg antreten, als er doch noch einmal in den Hauseingang zurücktrat. Ein Porsche Cayenne hielt vor dem Haus, ein Mann, den er nur zu gut kannte, stieg aus und ging auf den Eingang zu. Mit einem Schlüssel öffnete er die Tür.
Kaum eine Minute später sah er Marion, wie sie die Arme um den Hals des Mannes legte und ihn küsste. Schließlich verschwanden sie aus seinem Blickfeld.
Du bist eine Lügnerin, dachte er, die Kiefer mahlten aufeinander, in ihm waren von jetzt auf gleich unbändiger Zorn und Hass. Ein letzter Blick zu der Wohnung, das Licht wurde gedimmt und die Rollläden heruntergelassen. Du bist eine Lügnerin und eine Hure. Du bist wie
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