Teufelsleib
sie nur eine billige Nutte war.
Genieß die letzten Stunden, du Unbekannte, dachte er mit grimmigem Blick und einem seltsamen Lächeln. Genieße dein Leben, solange es noch dauert. Der Countdown läuft.
Freitag, 18.22 Uhr
B randt hatte das Blaulicht auf das Autodach gestellt und war ins Präsidium gerast. Elvira Klein und Bernhard Spitzer warteten bereits auf ihn. Elvira begrüßte ihn etwas förmlich, obgleich Spitzer schon lange über ihr Verhältnis informiert war, aber im Beruf wahrten sie stets eine gewisse Distanz. Nur in Spitzers Gegenwart duzten sie sich, so wie auch Elvira Klein und Bernhard Spitzer sich duzten.
»Da bin ich wieder. Also, Linda Maurer gibt es nicht mehr«, sagte er trocken. »Ich habe keine Ahnung, durch was für einen Sumpf wir im Augenblick waten, aber es ist ein Sumpf, wie ich ihn in all meinen Dienstjahren nicht erlebt habe …«
»Ja, ja, jetzt krieg dich wieder ein«, versuchte Spitzer ihn zu beruhigen, weil er fürchtete, dass Brandt sich in Rage reden würde.
»Was genau ist passiert?«, fragte Elvira ruhig und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Okay, erst mal Tür zu, die andern erfahren es noch früh genug.« Er ging noch einmal nach draußen, holte sich eine Cola und nahm neben Elvira Platz. Er trank einen Schluck, ordnete seine Gedanken und fragte dann Spitzer: »Du hast Elvira schon über die Maurer informiert?«
»Nur das Wesentliche«, antwortete Elvira an Spitzers Stelle und sah Brandt von der Seite an. »Sie wurde von ihren Kindern vermisst gemeldet und heute Nachmittag ermordet aufgefunden. Mehr weiß ich nicht.«
»Gut, dann von vorne. Aber sag mal, wieso bist du eigentlich nicht in der Rechtsmedizin? Andrea und Morbs wollten doch heute Abend noch die Obduktion vornehmen.«
»Mein werter Kollege Röber vertritt mich dort. Ich hatte noch was gut bei ihm.«
»Ich will’s gar nicht wissen.«
In den folgenden Minuten erzählte Brandt von Lara und Tobias Maurer, von seinem Besuch bei ihnen zu Hause und wie er die Kinder zu Linda Maurers Schwester gebracht hatte. Wie er später Vladic vernehmen wollte und mittendrin in die Bachstraße geschickt wurde, wo er Linda Maurer tot vorfand. Und er berichtete von seinem ausführlichen Gespräch mit Nathalie Groß.
Nach zwanzig Minuten war er fertig, sowohl mit seinem Bericht als auch psychisch und physisch. Dieser Tag hatte ihn mehr Kraft
und Energie gekostet als jeder andere Tag in den letzten Wochen und Monaten.
»Jetzt ist es also sicher, dass unser Mörder drei Frauen innerhalb von nicht einmal einem Jahr getötet hat«, konstatierte Elvira Klein kühl, ohne dabei arrogant zu wirken. Es half ihr, die Dinge nicht zu nahe an sich heranzulassen und sich so das klare und analytische Denken zu bewahren. »Und das allein im Stadtgebiet von Offenbach. Gab’s so was schon mal? In meiner Dienstzeit nicht. Aber ihr seid schon länger hier tätig.«
Spitzer schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern. Nein, wir hatten es noch nie mit einem Serienkiller zu tun. Das ist ein Novum in unserer Kriminalgeschichte, was ich aber noch verifizieren müsste …«
»Brauchst du nicht, wir haben wahrlich Wichtigeres zu tun«, sagte Brandt. »Wie gehen wir vor?«
Elvira fuhr sich mit der Hand über die Stirn: »Wir dürfen vor allem nichts überstürzen. Vorläufig werden wir keine Informationen an die Presse weitergeben, das heißt, wir werden lediglich erklären, dass die Hausfrau und Mutter Linda M. aus Offenbach einem brutalen Mord zum Opfer gefallen ist. Es darf unter keinen Umständen etwas über ihre Tätigkeit als Prostituierte an die Öffentlichkeit gelangen. Zudem sollten wir unbedingt in Erfahrung bringen, ob es in den letzten drei bis fünf Jahren ähnlich geartete Mordfälle an Prostituierten in Deutschland oder sogar darüber hinaus gegeben hat …«
»Unwahrscheinlich, wir hätten davon erfahren«, wurde sie von Brandt unterbrochen. »Wir haben doch schon nach den Morden an Zeidler und Schubert entsprechende Nachforschungen angestellt …«
»Da war aber noch nicht bekannt, dass es sich um einen Ritualmörder handelt«, korrigierte ihn Elvira. »Wir benötigen Informationen, ob es Mordfälle in der Vergangenheit gegeben hat, bei denen sich der Täter einer Olive, eines Olivenzweigs und einer weißen Taubenfeder bedient hat.«
»Du hast recht«, sagte Spitzer. »Bei Zeidler und Schubert sind wir davon ausgegangen, dass der Täter sich ausschließlich auf Frauen aus dem horizontalen Gewerbe spezialisiert hat.
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