Teufelsleib
fand’s auch total daneben, glaube aber nicht, dass er es wirklich so gemeint hat.«
»Er hat es so gemeint. Doch lassen wir das«, sagte Elvira und legte die Teller aufeinander. »Du willst wirklich noch arbeiten?«
»Nur ein bisschen. Da sind zu viele Gedanken in meinem Kopf, die ich nicht verlieren will. Und du hast gesagt, dass du mir helfen willst.«
»Ja, aber eigentlich …«, sie lächelte, »… will ich dir helfen. Fangen wir an.«
Brandt räumte den Tisch ab, entfernte die Tischdecke und legte sämtliche Fotos aus.
Anika Zeidler, Bettina Schubert und Linda Maurer. Ermordet von ein und demselben Mann. Jede eine Schönheit, als sie noch lebte. Und alle gestorben zwischen dem einundzwanzigsten und zweiunddreißigsten Lebensjahr.
Anika Zeidler, geboren am 8. März 1987, gestorben am 6. März 2009, hatte gerade ein Viertel ihres Lebens hinter sich. Bei der Obduktion hatte sich nichts gefunden, was auf eine Erkrankung hinwies. Sie hatte gesund gelebt, sich vegetarisch ernährt, nicht geraucht und auch nicht getrunken, von Drogen ganz zu schweigen, sie war dreimal in der Woche im Fitnessstudio gewesen – und sie war gebildet. Sie hatte Abitur, wollte studieren und den Mief des Kleinbürgertums und des sozialen Abseits ein für alle Mal hinter sich lassen. Edelnutte.
Bettina Schubert, geboren am 3. August 1981, gestorben am 14. August 2009. Gelernte Buchhalterin, halbtags in einer Spedition tätig, dazu verkaufte sie etwa viermal in der Woche ihren attraktiven Körper. Sie hatte einen drogen- und spielsüchtigen Mann, von dem Brandt glaubte, dass er ihr Zuhälter war, doch Schubert wies dies entrüstet von sich und behauptete, seine Frau sei ohne sein Wissen auf den Strich gegangen. Er habe sich gewundert, woher sie so viel Geld hatte. Eine glatte Lüge, davon war Brandt überzeugt. Doch trotz aller Härte, die er im Verhör an den Tag gelegt hatte, blieb Schubert bei seiner Version, von der Tätigkeit seiner Frau nichts gewusst zu haben.
Und nun hatten sie eine dritte Tote. Linda Maurer. Geboren am 8. November 1977, gestorben in den frühen Morgenstunden des 15. Januar 2010. Verheiratet, zwei Kinder von zehn und zwölf Jahren, einen alkoholabhängigen Mann. Und auch sie, wie Anika Zeidler, eine Edelnutte.
Sie standen vor dem langen Tisch aus Eichenholz und betrachteten die Bilder. Jeweils acht lagen neben- und untereinander,
links Anika Zeidler, in der Mitte Bettina Schubert und rechts Linda Maurer.
»Bereit?«, fragte Brandt.
»Bereit. Wonach suchen wir?«
»Nach Gemeinsamkeiten. Der Täter hat uns heute unübersehbare Zeichen hinterlassen. Er sucht den Kontakt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er das erst seit heute tut, sondern auch schon bei den ersten beiden Morden getan hat. Wir haben die Zeichen nur übersehen.«
»Das kann nicht sein.« Elvira schüttelte den Kopf. »Die Leichen und die Tat- beziehungsweise Fundorte wurden doch gründlich untersucht und fotografiert – wobei wir zugegebenermaßen noch nicht wissen, wo die Zeidler umgebracht wurde.«
Brandt beugte sich vor und betrachtete jedes einzelne Foto.
»Hallo, sprichst du noch mit mir?«, fragte Elvira nach ein paar Minuten.
»Gleich.« Er holte eine Lupe und sagte kurz darauf mit einem gewissen Triumph in der Stimme: »Ich hab’s doch gewusst. Hier, sieh selbst. Dieses Foto vom Fundort in Rumpenheim. Was fällt dir auf?«
Elvira nahm die Lupe und nickte. »Du hast recht. Warum wurde das übersehen?«
»Weil die Zeidler am Ufer lag. Es war sein erster Mord, und er war noch nicht so geübt. Ich denke zumindest, dass es sein erster war. Er hat die Leiche an der Fähre abgelegt und die Utensilien, die wir auch bei der Maurer gefunden haben, daneben. Es könnte also durchaus sein, dass die Zeidler sein erstes Opfer war. Wir können’s nur hoffen.«
»Moment, nicht so schnell. Wir sehen hier nur einen Zweig. Ob es ein Ölzweig ist, muss noch verifiziert werden. Wir brauchen eine Ausschnittsvergrößerung, das kann auch irgendein Zweig sein. Außerdem gebe ich zu bedenken, dass die Leiche über zwei Tage dort gelegen hat, bevor sie gefunden wurde. Sollte der Täter etwas hinterlassen haben, könnte es von Tieren weggenommen worden sein.«
»Stimmt. Aber als wir uns mit der Zeidler und der Schubert beschäftigten, gingen wir nicht von einem Ritualmörder aus. Jetzt schon. Und durch die Fotos, die er bei der Maurer hinterlegt hat, wissen wir, dass er auch für die Morde vom vergangenen Jahr in Frage kommt. Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher