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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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rauben, aber angenommen, alle drei wären in die Andreas-Gemeinde gegangen, irgendjemand hätte uns doch längst informiert. Oder etwa nicht?«
    »Nicht unbedingt. Wenn es sich um eine große Gemeinde handelt, in der die Bänke sonntags gut gefüllt sind … Ich weiß nicht, du kennst doch unsere heutige Gesellschaft, da kümmert man sich kaum mehr um andere, und das trifft auch auf die Kirchen zu. Da spielt sich die Frömmigkeit kurz vor, während und nach der Predigt ab, spätestens beim Mittagessen ist alles wieder vergessen. Mag zynisch klingen, ist aber so.«
    »Hast du entsprechende Erfahrungen gemacht?«, fragte Brandt mit gerunzelter Stirn.
    »Als ich jünger war. Ich habe irgendwann aufgehört, diese Heuchelei mitzumachen. Ich fahr ganz gut damit. Schau dir meinen Vater an, er war in kriminelle Geschäfte verwickelt und ist am Sonntag in die Kirche gegangen. Oder denk an die Paten der Mafia. Wenn ich an Gott glauben will, brauche ich keine Kirche.«
    »Glaubst du denn an Gott?«, wollte Brandt wissen, der Nicole Groß die gleiche Frage gestellt hatte, bevor sich ihre Wege getrennt hatten.
    »Ich möchte es gerne«, antwortete sie kurz angebunden. »Lass uns aufhören, ich meine, wir haben einen sehr, sehr langen Tag hinter uns. Ich mag nicht mehr, und ich kann nicht mehr. Morgen ist auch noch ein Tag.« Und nach einem Blick zur Uhr: »Heute, um genau zu sein. Mensch, es ist schon nach eins. Kein Wunder, dass ich nicht mehr klar denken kann. Ich möchte ins Bett.«
    Brandt verstaute die Fotos in einer Schublade. Elvira war ins Bad gegangen, er setzte sich in seinen Sessel und dachte nach, während er das Rauschen der Dusche hörte.
    Vielleicht hatte Elvira recht, und er hatte die Fährte aufgenommen. Und doch würde es noch ein weiter Weg sein, bis er diesen Killer geschnappt haben würde. So planvoll er vorgegangen war, wäre er nicht so dumm, sich auf solch simple Weise fangen zu lassen, indem er Spuren legte, die zwangsläufig zu ihm führten. Mörder wie dieser gaben sich nicht die Blöße, die meisten waren zu gut in die Gesellschaft integriert, als dass jemand aus ihrer Umgebung auf die Idee kommen würde, ihn mit einem oder gar mehreren Morden in Verbindung zu bringen.
    Brandt stand auf und sah durch das geschlossene Fenster auf die wie ausgestorben liegende Straße. Er dachte an Sarah und Michelle, mit denen er heute kurz telefoniert hatte. Sarah hatte seit einem halben Jahr einen festen Freund, den sie ab und zu mit nach Hause brachte, ein netter junger Mann von einundzwanzig Jahren, der nur ein Problem hatte – er hatte keine richtige Schulausbildung, keine Energie, etwas aus seinem Leben zu machen, lag seinen Eltern auf der Tasche und machte keinerlei Anstalten, das Hotel Mama irgendwann zu verlassen. Der Vater war fast sechzig, Bilanzbuchhalter und offenbar nicht in der Lage, seinem Sohn einmal die Meinung zu sagen. Brandt hatte in den vergangenen Jahren in seinem Beruf zu viele dieser jungen Leute kennengelernt, die Möglichkeiten hatten, sie aber ungenutzt verstreichen ließen. Und dann kam der Zeitpunkt, an dem es zu spät war. Wer mit dreißig keine Ausbildung hatte, war so gut wie weg vom Fenster. Jörg war zwar noch deutlich jünger, aber Brandt hatte auch für ihn nur wenig Hoffnung. Auf seine unverblümte Frage, was er denn vorhabe, hatte Brandt nur eine ausweichende Antwort erhalten. Brandt mochte ihn – und auch wieder nicht. Nicht für seine Tochter, die vor lauter Verliebtheit alles um sich herum vergaß. Allein die Vorstellung, Sarah könnte sich auf jemanden längerfristig einlassen, der – wie es Michelle ihrem Vater unter dem strengsten Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hatte – keinen Bock auf nichts hatte und auch noch regelmäßig Gras rauchte und andere Drogen konsumierte, bereitete ihm Kopfzerbrechen. Er hatte Michelle gefragt, ob auch Sarah leichte Drogen konsumiere, doch seine Tochter hatte nur mit den Schultern gezuckt und ihn vielsagend angeschaut. Für Brandt eine eindeutige Antwort.
    Er hoffte inständig, Sarah würde sich bald den Sand der Verliebtheit aus den Augen wischen und erkennen, dass dies unmöglich der Mann sein konnte, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte. Sie stand vor dem Abitur, er war kurz vor dem Hauptschulabschluss von der Schule geflogen. Brandt hatte außerdem herausgefunden, dass Jörg ab und an in kriminellen Kreisen verkehrte – Dealer, Einbrecher, Taschenräuber. Er hatte sich vorgenommen, sollte Sarah nicht von allein

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