Teufelsmauer
anbeiÃt.«
Morgenstern dachte an die wasserdichten Alibis für die beiden Morde und aktuell für Russers verwüstete Wohnung. »Er wird nicht selbst kommen«, sagte er dann. »Das ist nicht sein Stil.«
»Wer kommt dann?«, fragte Russer überrascht.
Morgenstern zuckte mit den Schultern. »Ich denke, wir sollten einfach mal nachsehen.«
»Wir drei?«
Morgenstern überlegte kurz. »Nein«, sagte er dann. »Jetzt schalten Sie mal Ihr neumodisches Aufnahmegerät ein, dann geben Sie mir Ihre Tasche, und Ihren Helm mit dem Wolfsfell möchte ich auch haben. Sie kriegen dafür meinen Helm und meine Tasche.«
»Was soll das werden?«, fragte Hecht besorgt. »Du wirst doch nicht allen Ernstes diesen lächerlichen Bluff von Russer übernehmen? Du bringst dich in Teufels Küche!«
Morgenstern stülpte sich Russers schweren Helm über den Kopf. »Ich hab ja dich, Spargel«, sagte er. »Wenn ich dich brauche, rufe ich einfach. Halte immer schön das Ohr an die Tür.« Zu Russer gewandt fragte er: »Haben Sie denn dieses angebliche Poesiealbum in der Tasche? Irgendetwas, das man bei Bedarf vorzeigen könnte?«
»Ja, ein DIN - A4 -Schulheft mit rotem Einband.«
»Ziemlich mickrig«, sagte Morgenstern grimmig. »Aufnahme läuft?«
»Aufnahme läuft.«
Und ohne noch weiter nachzudenken, ging Morgenstern, getarnt als Signifer der Neunten Vindelikischen Kohorte zur Eingangstür der rekonstruierten Villa Rustica.
Morgenstern betrat einen weitgehend leeren Raum, der auf ihn wie eine Kapelle wirkte. Das lag wohl an der Apsis, einem halbrunden Bau, der die Stirnwand des Wohnzimmers dekorativ abschloss. Ein hölzerner Stuhl war, neben ein paar Vitrinen mit Ausstellungsstücken sowie einem Modell der Villa, das einzige Mobiliar. Und auf diesem Stuhl saà ein römischer Legionär.
Morgenstern brauchte einen Moment, bis er ihn erkannte: Es war der Rahmfleck-Bäcker, der sich den ganzen Mittag über an seinem mobilen Holzofen so eifrig um die Verköstigung der Gäste bemüht hatte. Ein junger, schmaler Mann mit fast schwarzem Haar, dunklen, tief liegenden Augen und markanter schmaler Nase. Er trug immer noch seine rostrote Tunika, doch darüber hatte er nun zusätzlich ein schmal geschnittenes Kettenhemd gestreift, als hätte er sich dem Anlass angemessen kleiden wollen.
Er musterte Morgenstern mit mehr als einem prüfenden Blick. »Haben Sie Buch?«
Morgenstern nickte und klopfte auf seine Ledertasche.
Er deutete auf den Boden. »Legen Sie hin.«
»Ich will erst mit Ihnen reden«, sagte Morgenstern.
»Kein Reden. Ich will Buch.«
Morgenstern nestelte an dem kleinen Riemen, der die Legionärstasche verschloss. Dabei behielt er den Mann vor sich permanent im Auge.
In diesem Moment erkannte er, dass er den jungen Mann schon ein Mal gesehen hatte. Beim Limesfest in Kipfenberg, auf dem Festplatz. Er war der Angestellte am Pizzastand gewesen, die Aushilfskraft im Hintergrund.
»Sie arbeiten in Kipfenberg in der neuen Pizzeria am Marktplatz«, sagte er. Eine Feststellung, keine Frage.
Der junge Mann nickte. »Pizzeria Roma. Ganz neu. Osteria mit Pizza-Express.«
»Und Sie fahren Pizza aus?«, fragte Morgenstern.
»Si. Mit der Vespa.«
»Wie weit?«
»Maximal zehn Kilometer. Gib mir Buch.« Der junge Mann saà immer noch lässig auf dem antiken Schemel, der an eine Art historischen Klappstuhl erinnerte. Er schien sich absolut sicher zu fühlen.
Morgenstern wurde es trotz seiner schweren Ausrüstung kühl. Wenn ihre Theorie stimmte, saà ihm gegenüber ein Doppelmörder, ein kaltblütiger Killer. Ein Mann, dem die bayerische Kriminalpolizei üblicherweise mit einem vielköpfigen Sondereinsatzkommando zu Leibe rückte. Sein Trumpf war allerdings, dass der Italiener nicht wusste, wer ihm da gegenüberstand. Der Monsignore hatte ihm vermutlich erklärt, mit wem er es in der Villa zu tun bekommen würde: mit einem Finanzbeamten, der verschrobene Hobbys pflegte. Ein harmloser Spinner. Kein ernst zu nehmender Gegner.
Morgenstern fragte unverdrossen weiter. »Sie haben am letzten Sonntag beim Limesfest in Kipfenberg gearbeitet. Am Stand.«
»Si, Dottore.« Der junge Italiener schien sich allmählich einen Spaà aus seinem Besucher zu machen.
»Sie waren auch in der Nacht noch an Ihrem
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