Teufelsmauer
befürchte, dass Sie in Gefahr sind. In unmittelbarer Gefahr.« Morgenstern blickte auf die Uhr. »Packen Sie ein paar Sachen zusammen. Sie wohnen die nächsten Tage bei mir. In meiner Wohnung in Eichstätt.«
»Bei Ihnen, Herr Morgenstern? Stehe ich denn unter Polizeischutz?« Russer wirkte völlig überrascht.
»Polizeischutz wäre zu viel gesagt«, antwortete Morgenstern und wusste selbst nicht, ob sich das für Russer nun beruhigend oder beunruhigend anhörte. »Sagen wir mal so: Wir gründen für ein paar Tage in Eichstätt eine Wohngemeinschaft. Sie, ich und Herr Hecht. So lange, bis die Situation ein bisschen übersichtlicher geworden ist. Also packen Sie das Nötigste zusammen. Wir holen Sie in einer Stunde ab.«
Gundekar Russer hatte sich mit einer Reisetasche und einem schweren olivgrünen Seesack neben dem Eichstätter Rathaus postiert, wo ihn die beiden Kommissare auflasen.
»Was haben Sie denn da drin?«, fragte Morgenstern überrascht, als er den Seesack ins Auto wuchtete.
»Meine Legionärsausrüstung. Ich habe vorhin noch mit unserem Zenturio telefoniert. Sie haben den Marsch abgebrochen«, erklärte Russer. »Es ist einfach zu heiÃ, und ein paar haben Blasen an den FüÃen. Deswegen haben sie entschieden, dass sie aufhören und stattdessen nach Möckenlohe aufs Römerfest an der Villa Rustica kommen. Das ist an diesem Samstag und Sonntag.«
»Und da wollen Sie jetzt auch hin?«, fragte Morgenstern und klopfte auf den prallen Seesack.
»Da spricht doch wohl nichts dagegen«, meinte Russer.
»Eigentlich nicht«, sagte Morgenstern nach kurzem Nachdenken. »Auch wenn ich Sie grundsätzlich ganz gerne in meiner Nähe wüsste.«
Morgenstern hatte erwartet, daheim auf eine einsame Wohnung zu stoÃen, in der er sich mit Gundekar Russer breitmachen konnte. Von Fiona hatte er nichts gehört, ebenso wenig von seinen Söhnen, die noch bis Sonntag im Zeltlager bleiben sollten. Der rote Landrover vor dem Haus belehrte ihn eines Besseren: Fiona war heimgekehrt. Einfach so. Und es kam noch besser: Aus den offenen Fenstern der Wohnung hörte er die Stimmen seiner Kinder.
»Volles Haus«, kommentierte Hecht, und seine Stimme klang ein wenig neidisch.
»Sieht so aus«, sagte Morgenstern mit einer Mischung aus Erleichterung und Verwunderung.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, warf Russer angesichts der neuen Sachlage zaghaft ein. »Ich könnte mich auch woanders einquartieren.«
»Nein, Sie bleiben bei uns. Da haben wir alles am besten im Griff.«
»Unter Kontrolle, meinen Sie.«
»Auch das.«
In der Wohnung wurden die drei â auch Hecht war mitgekommen â freudig empfangen.
Die Kinder fielen Morgenstern mit überraschender Inbrunst um den Hals. »Ihr erdrückt mich ja«, stellte er gerührt fest. »Aber solltet ihr nicht eigentlich noch bis Sonntag im Zeltlager sein?«
Die beiden plapperten gleichzeitig los, unterbrachen sich ständig, sodass es eine Weile dauerte, bis der Sachverhalt klar war. Die beiden Buben hatten das Zeltlager nicht verkraftet: Einer der Betreuer hatte sich nämlich am Donnerstagabend einen Spaà daraus gemacht, am Lagerfeuer unablässig schaurige Gruselgeschichten zu erzählen.
»Und dann gab es eine Nachtwanderung durch den Wald«, jammerte Bastian.
»Und auf einmal war da ein Gespenst im Unterholz und hat Buhu gemacht!«, schilderte Marius. Kurzum: Die Morgenstern-Söhne waren bei dieser SpaÃvogel-Aktion in Panik geraten und hatten noch in derselben Nacht beschlossen, sich von Fiona aus dem Zeltlager evakuieren zu lassen.
»Und ich war sowieso gerade mit der Aufräumaktion fertig«, erklärte Fiona und gab Morgenstern einen kurzen Kuss. »Die Wohnung ist jetzt besenrein.« Sie wirkte zufrieden.
»Die Jungs hatten Glück, dass sie dich erwischt haben. Im Gegensatz zu mir. Du bist nicht ans Handy gegangen«, sagte Morgenstern so beiläufig, wie ihm das im Beisein von Russer und Hecht möglich war.
»Ach. Das ist ganz blöd gelaufen. Ich hab das Ladekabel daheim vergessen. Und dann hat es ein bisschen gedauert, bis ich mir ein neues gekauft habe. Für unser uraltes Handy kriegt man das gar nicht so einfach. Aber du willst ja kein neues.«
Morgenstern entglitten die Gesichtszüge. Er schaute sich im Flur um. Tatsächlich, da lag das
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