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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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leben sie lieber mit dem Bösen. Sie verschließen die Augen davor.»
    Karla nickte. «So war es auch in meinem Weiler. Über bestimmte Dinge sprach man nicht. Man tat, als gäbe es sie einfach nicht.»
    Sie waren vor der kleinen Hütte von Alrun angelangt und klopften. Die alte Frau öffnete sofort. «Kommt herein, kommt herein.»
    Die Tür war so niedrig, dass sich Pater Fürchtegott bücken musste, um in die Kate zu gelangen. Die Hütte bestand nur aus einem einzigen Raum. Gegenüber der Tür befand sich die Kochstelle. Das Feuer brannte, ein Scheit loderte hellauf. Darüber hing ein Wasserkessel, der leise summte. An der Wand stand ein Bett, auf dem ordentlich gefaltet eine bestickte Decke lag. Vor dem Bett, auf dem Boden aus gestampftem Lehm, lag ein Flickenteppich, ähnlich dem im Pfarrhaus.
    Neben dem Bett stand eine Truhe, die mit einem Schaffell und zwei Kissen bedeckt war. Die andere Seite des Raumes war mit einem Gatter abgeteilt. Dahinter gackerten ein paar Hühner und pickten nach Weizenkörnern. Eine Ziege beäugte leise meckernd die Besucher.
    Obwohl Tiere hier lebten, roch es in der Hütte angenehm.
    «Ihr habt Salbei geräuchert?», fragte Karla.
    Alrun nickte und bat die beiden, auf der Truhe Platz zu nehmen. Hinter ihnen bedeckte ein Wandteppich das Geflecht aus Lehm und Stroh.
    Alrun hantierte mit dem Wasserkessel, brachte zwei dampfende Becher. «Da, trinkt. Es ist ein Kräutersud, der die Gedanken klärt.»
    Gehorsam setzten Pater Fürchtegott und Karla die Becher an die Lippen.
    «Melisse?», fragte Karla.
    Alrun nickte. «Melisse und Lindenblüten.»
    «Warum habt Ihr uns zu Euch bestellt?» Pater Fürchtegott stellte den Becher ab und sah Alrun freundlich an.
    «Es ist an der Zeit», erwiderte sie einfach, «dass gewisse Dinge ausgesprochen werden. Die Dorfschulzin – Gott habe sie selig – ist nicht das erste Opfer hier im Dorf. Auch die Lissi, Beckmanns Weib, hat selbst Hand an sich gelegt. Ich will nicht, dass noch mehr Frauen den Freitod suchen.»
    «Erzählt, was Ihr wisst», forderte der Pater sie auf.
    Alrun zuckte mit den Schultern. «Viel ist es nicht. Ich bin eine alte Frau. Die jungen Leute reden nicht mit mir. Meine Augen sind schlecht. Daher sehe ich auch nicht alles.»
    «Was wollt Ihr uns berichten?»
    Die Alrun holte sich einen Schemel, setzte sich dem Pater gegenüber, faltete die sehnigen Hände im Schoß.
    «Vor vielen Jahren, Jo und Sofie waren noch kleine Kinder, da gab es einen Streit.»
    «Um was ging es?», wollte der Pater wissen.
    «Es ging um das Land, auf dem heute der Friedhof der Michelsmüller ist. Der Glenbauer gab kund, dass ihm das Land gehöre. Er zeigte sogar ein Schreiben, welches dies bestätigte. Das Schreiben war auf den Glenbauern ausgestellt, aber es war vom alten Grafen von Ziegenhain verfasst worden. Der war schon tot, als der Glen geboren wurde, was für einige nichts anderes bedeutete, als dass der Glen log. Doch er war der reichste Bauer hier. Wenn es eine Hungersnot gab, war er der einzige, der genügend Weizen hatte für die neue Aussaat. Die anderen Dörfler brauchten ihn. Er gab ihnen Arbeit, lieh Saatgut, hatte Verbindungen zu anderen Großbauern und sogar bis nach Ziegenhain. Als er also mit dem Schreiben zum alten Michelsmüller ging und das Land forderte, hielt ihn niemand auf. Der Michelsmüller jedoch stellte sich gegen ihn. Nichts, keinen Fußbreit Acker wollte er hergeben. Mit gekreuzten Armen stand er am Hoftor, verwehrte dem Glen den Zutritt. Aber der lachte nur, begab sich schnurstracks zum Dorfschulzen und verlangte von ihm, er solle Recht sprechen, wie es seine Aufgabe ist. Der Dorfschulze zögerte. Er war ein verträglicher Mann, der die Gerichtstage hasste, nur Ruhe und Frieden für sein Dorf wollte. Er begab sich also nach Oberaula und ließ sich vom dortigen Gericht beraten. Die Sachlage war eindeutig. Das Gesetz verhieß, dass der alte Michelsmüller sich das Land unrechtmäßig angeeignet hatte. Die Urkunde des Glenbauern gab den Ausschlag. Der Michelsmüller aber scherte sich nicht um den Beschluss. Er bearbeitete weiter das Land, riss sogar mit den eigenen Händen die Rüben aus dem Boden, die der Glen angebaut hatte. Wieder gab es Streit, wieder musste der Dorfschulze richten. Dieses Mal entschied er selbst, im Vertrauen auf Gott. Wie es Brauch und Gesetz wollten, verfügte er, dass der Michelsmüller bis zum Hals in seinem Acker eingegraben wurde. Dann sollte der Glen mit dem Pflug darübergehen. Starb der

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