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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Haus gehen», sagte er. «Vielleicht finden wir hier einen Hinweis auf das, was früher geschehen ist.»
    Gemeinsam betraten sie das Haus, stiegen die knarrende Stiege nach oben. «Die da, die erste neben der Treppe, ist Sofies Kammer», erklärte Karla und öffnete die Tür.
    Sofort fielen ihr die geschnitzten Figuren ein. «Pater, seht! Da sind die Figuren, von denen ich Euch berichtet habe.»
    Fürchtegott nahm eine Figur nach der anderen von dem Regalbrett und sah sie sich an. Dann nickte er. «Habe ich es mir doch gedacht.»
    «Was habt Ihr Euch gedacht?», fragte Karla.
    «Dasselbe wie du. Sie ist vergewaltigt worden. Aber es scheint mir ganz, als wäre der Glenbauer nicht der Einzige gewesen, der sie geschändet hat. Hier!»
    Karla musste schlucken. Nacheinander nahm sie die Figuren in die Hand und betrachtete sie genauer. Sie seufzte schwer und stellte die Schnitzereien schnell zurück, als würden sie ihr die Finger verbrennen. «Habt Ihr die Gesichter gesehen, Pater?»
    «Ja. Sie unterscheiden sich sehr, nicht wahr? Auf einigen zeigt sich die Fratze der Wollust ganz deutlich. Andere aber zeigen einen Ausdruck, der mit Schmerz vermischt ist. Hm. Merkwürdig ist das alles.»
    Gemeinsam durchstöberten sie den Rest des Hauses, aber sie fanden nichts, was ihnen Aufschluss gegeben hätte. Nur in einer Kammer, die als Abstellraum diente, hielt der Pater plötzlich inne. Er öffnete einen Sack, griff hinein und hob ein wenig von dem schlechtriechenden Getreide an die Nase. «Aha», murmelte er dabei. «Mutterkorn.»
    Plötzlich hörten sie Schritte auf der Stiege.
    «Was ist das?», murmelte Karla und wurde blass.
    «Pscht!»
    Pater Fürchtegott zog sie hinter einen Schrank. In der Tür wurde ein Schatten sichtbar. Karla hielt den Atem an und schloss die Augen. Bitte, lieber Gott, lass uns diesen Ort heil verlassen, betete sie, da wurde sie mit eisernem Griff an der Schulter gepackt und hervorgezogen. «Nicht!», wimmerte sie, doch dann hörte sie den überraschten Ausruf: «Karla!»
    Sie riss die Augen auf und blickte in das Gesicht des schwarzen Jo. «Was, um des Herrgotts willen, machst du hier?»
    Karla war so froh, Jo zu sehen, dass sie sich auf der Stelle an ihn schmiegte. «Geht es dir gut?», fragte sie. «Bist du gesund?»
    «Ja. Ja. Aber was machst du hier?»
    Da trat auch der Pater aus seinem Versteck hervor. «Wir sind losgezogen, um Euch zu warnen, und wollten hier eben nach dem Rechten sehen», erklärte er. «Gestern Nacht hat sich die Dorfschulzin verbrannt. Die anderen zittern vor Angst. Sogar nach den Lazarusbrüdern haben sie geschickt. Wir wollten Euch warnen und haben Euch ein paar Lebensmittel gebracht, das ist alles.»
    Ein wenig misstrauisch betrachtete der schwarze Jo Pater Fürchtegott. «Ihr wart es, der die Meinen ausgegraben und exorziert hat!» Seine Stimme klang barsch und ein wenig bitter.
    «Ja. Das war ich.» Pater Fürchtegott nickte. «Die Frage lautet allerdings, wen ich exorziert habe: die Euren oder die Alweröder. Wie auch immer. Im Dorf hat sich einiges zugetragen. Und ich vermute, dass die Männer und Frauen sich zusammenrotten, um gemeinsam zur Mühle zu kommen.»
    Der schwarze Jo winkte ab. «Das tun sie nicht zum ersten Mal. Wir haben Schlimmeres überstanden.»
    «Ihr meint die Geschichte mit dem Pflug und dem Glenbauern?» Pater Fürchtegott beobachtete jede Regung im Gesicht des schwarzen Jo. Seine Augen wurden schmal, das Kinn kantig.
    «Ja. Aber nicht nur das», erwiderte er.
    «Was noch?», wollte Fürchtegott wissen, doch in diesem Augenblick waren Stimmen von draußen zu hören.
    «Sie kommen», flüsterte Karla. «Es geht los!»
    Vorsichtig spähte der schwarze Jo aus dem Fenster, Karla dicht neben ihm. Unten im Hof standen der Glenbauer und der Hettrich.
    «Es ist alles trocken. Es wird brennen wie Zunder», hörten sie den Glenbauern sagen.
    Hettrich kratzte sich am Kopf. «Was soll das bringen? Die Michelsmüller sind weg, die Lazarener werden bald hier sein. Ein Feuer nützt jetzt auch nichts mehr.»
    Der Glenbauer fuhr herum, trat so dicht an den Hettrich heran, dass seine Nase beinahe das Gesicht des anderen berührte. «Hast du noch immer nicht begriffen, was hier vor sich geht?», zischte der Glenbauer. «Reicht dir der Tod der Schulzin nicht aus? Wir werden erst Ruhe haben, wenn von denen hier nichts mehr übrig ist.»
    Der Hettrich trat einen Schritt zurück, steckte die Hände in die Taschen und zog den Kopf ein. «Ich weiß nicht», erwiderte er.

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