Teufelsmond
einen Krug Bier leeren.»
«Pscht!» Der Pater legte seinen Finger auf die Lippen. «Schreie nicht so, sie müssen jeden Augenblick hier sein.»
«Was wollen sie noch holen?», fragte Karla. «Als ich heute Mittag zur Mühle kam, waren alle Türen weit geöffnet. Im Haus waren die Schränke aufgerissen, die Truhen standen offen, das Geschirr in der Küche lag zerbrochen auf dem Boden.»
«Du warst heute in der Mühle?» Pater Fürchtegott kniff die Augen zusammen.
«Ja», erwiderte Karla leise.
«Und warum? Was hast du dort gewollt?»
Karla schluckte. Sie wollte nicht zugeben, dass es die Sehnsucht nach Jo war, die sie dorthin getrieben hatte. Eigentlich hatte sie sich etwas von ihm mitnehmen wollen. Vielleicht ein Hemd, das seinen Geruch in sich trug. Irgendetwas. Aber dann hatte sie die Zerstörungen gesehen und war so schnell davongelaufen, wie sie nur konnte.
«Die Lazarener», flüsterte der Pater. «Sie waren schneller als die Alweröder.»
Karla nickte. «Gesehen habe ich sie nicht, aber wer sonst sollte hier einbrechen?»
Der Pater drehte sich so, dass er Karla direkt in die Augen schauen konnte. «Wo ist der schwarze Jo?», fragte er.
Karla hob die Schultern. «Woher soll ich das wissen?», fragte sie.
Pater Fürchtegott fasste nach ihrem Kinn. «Du weißt es. Und ich weiß, dass du es weißt.»
Karla wand ihren Kopf aus dem Griff des Paters. «Er ist in Sicherheit», erklärte sie. «Ihr selbst habt ihn doch nach Immichenhain ins Benediktinerhaus geschickt.»
«Ist er wirklich gegangen? Du weißt, was geschieht, wenn der Michelsmüller gefunden wird. Sie werden ihn töten. Und die Sofie dazu. Und den Säugling», fügte der Pater an.
Da sprang Karla auf. «Daran habe ich nicht gedacht, Pater», rief sie aus. «Nicht an die Sofie und nicht an das kleine Mädchen. Vielleicht sind sie noch im Wald! Schnell, beeilt Euch, wir müssen sie warnen!»
Ungeachtet dessen, dass die Männer und Frauen des Dorfes jeden Augenblick bei der Mühle eintreffen konnten, sprang Karla auf und hetzte über den dunklen Mühlenhof, bog in einen schmalen Pfad ein und rannte, so schnell sie konnte. Zweige peitschten ihr Gesicht. Sie zerriss sich das Kleid an einer Wurzel, stürzte über einen Graben, rappelte sich auf und rannte weiter. Hinter sich hörte sie das Keuchen des Paters.
Endlich, als der Schmerz in ihren Rippenbögen kaum mehr auszuhalten war, erreichten sie die Viehtreiberhütte im Wald. Karla blieb wie angewurzelt stehen. Aus dem Abzug quoll kein Rauch, die Tür war fest verschlossen, das Gras davor nicht heruntergetreten.
«Wo sind sie?» Karla sah sich gehetzt nach allen Seiten um. Pater Fürchtegott, der so laut japste wie ein Hund nach der Treibjagd, richtete sich auf. Sein Gesicht glänzte rot im Mondlicht. «Der schwarze Jo hat seine Familie bestimmt in Sicherheit gebracht. Wo immer er ist, da sind auch die anderen.»
«In Immichenhain», erwiderte Karla.
«Ja, in Immichenhain. Ich bete zu Gott, dass es so ist», sprach der Pater.
Karla warf ihm einen flehenden Blick zu. «Glaubt Ihr, sie haben es bis dorthin geschafft, Pater?»
Fürchtegott nickte. «Ganz bestimmt.»
Der Pater schlug Karla auf die Schulter. «Sie sind in Sicherheit, Mädchen. Vertraue mir. Der schwarze Jo mag manchmal ein Hitzkopf sein, aber er ist kein Idiot.»
«Der schwarze Jo? Habt Ihr ihn getroffen? Auf dem Weg nach Immichenhain?»
Der Pater lächelte. «Ich bin mir sicher, er sorgt gut für die Seinen –»
Plötzlich hallten Schläge durch den Wald, als würde jemand einen Baum fällen.
«Die Dörfler. Sie sind bei der Mühle!» Karla bekreuzigte sich, während sich der Pater auf einem Holzstapel niederließ und einen kleinen Tonkrug aus der Tasche zog, den Stopfen entfernte und einen kräftigen Schluck daraus trank. Dann reichte er Karla den Krug. «Da, trink du auch, das stärkt die Nerven.»
Karla blickte den Pater an, als wäre er von Sinnen. «Ihr könnt doch jetzt nicht trinken und so tun, als geschähe nichts!»
«Doch!» Der Pater streckte die Füße von sich. «Alles, was ich tun konnte, habe ich getan. Jetzt bleibt uns nur, auf das Finale zu warten.»
«Das Finale?»
«Ja. Auf das Ende dieser leidigen Geschichte. Wir beide werden sie zum Abschluss bringen müssen.» Er trank noch einen Schluck und blickte sinnend hinauf in den nächtlichen Himmel, an dem ein paar magere Sterne blinzelten. «Ich habe lange überlegt, warum der Herr, mein Gott, mich hierhergeschickt hat. Jetzt weiß ich es.»
Karla
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