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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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hatte sich neben ihn gesetzt.
    «Und warum hat der Herr Euch ausgerechnet hierher geschickt?»
    Fürchtegott sah sie an. «Ich glaube, er wollte meine Liebe zu den Menschen, zu den Geschöpfen, die er geschaffen hat, prüfen.»
    «Und? Hat er geprüft?»
    «Oh, ja, mein Kind. Der Herr hat mich schwer geprüft.» Fürchtegott seufzte. Noch immer hörte man den Lärm von der Michelsmühle. Axtschläge erklangen, Männer- und Frauenstimmen. Blech schlug auf Blech, irgendwo fiel ein schwerer Gegenstand um. Am Himmel breitete sich langsam ein rotgelber Schein aus.
    «Seht, Pater. Die Michelsmühle, sie brennt!» Aufgeregt zeigte Karla auf den lodernden Lichtschein.
    «Ja», erwiderte der Pater gleichmütig. «Das sehe ich. Was sollen sie auch anderes tun, die Menschen dort. Sie werden gehofft haben, dort das Hab und Gut der Müller zu finden. Nun, damit hat es sich ja nun. Aus Enttäuschung werden sie die Mühle angezündet haben. Ein Feuer reinigt, heißt es. Verbrennen, zerstören, vernichten, immer in der Hoffnung, dass ihre Sünden reingewaschen werden.» Er nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche.
    Karla setzte sich wieder und behielt den Feuerschein im Blick. «Und was ist dabei rausgekommen?», fragte sie.
    «Wobei?»
    «Bei der Prüfung des Herrn.»
    Pater Fürchtegott seufzte. «Was soll ich dir sagen, Kind? Ich war nie in der Welt, habe immer im Kloster gelebt. Die Menschen dort wollen alle dasselbe, haben alle dieselben Gelübde abgelegt. Gehorsam, Armut, Keuschheit. Weiber kannte ich nur aus der Schrift. Wollust. Völlerei. Und noch ein paar andere Sachen.»
    «Und jetzt habt Ihr sie erfahren?»
    Der Pater nickte und seufzte wieder. «Einiges habe ich erfahren. Zum Glück nicht alles.»
    «Und liebt Ihr die Menschen nun?» Karla ließ nicht locker. Obwohl ihr Blick auf den Waldrand gerichtet war, klangen ihre Fragen drängend.
    «Ich weiß es nicht.» Die Antwort des Paters kam sehr leise. «Ich weiß es wirklich nicht. Sie dauern mich, die armen Geschöpfe.»
    «Warum?», fragte Karla.
    Pater Fürchtegott schüttelte seinen linken Fuß, als ob dieser eingeschlafen wäre. «Sie sind bekümmert von Dingen, die ich bisher nicht kannte. Sie sind so weit von Gott entfernt. Und damit vom Leben. Obwohl sie jeden Tag Leben schaffen. Auf ihrem Acker, im Stall, im Haus. Sie scheinen mir wie Kinder, denen niemand den rechten Weg weist.»
    Karla nickte. «Mir geht es ähnlich, seit ich aus meinem Weiler fortgelaufen bin. Vor den Menschen, Pater, kann man nicht weglaufen. Sie sind überall gleich, nicht wahr? Sie wollen mehr, als sie haben. Nicht nur Besitz. Auch andere Dinge. Es ist, als litten sie allesamt an einem riesigen Mangel. Und nichts und niemand kann ihnen helfen. Sie sind bedürftig, die Menschen. Wir alle sind bedürftig.»
    «Du bist klug, Kind.» Er tätschelte ihr den Rücken. «Im Kloster war ich zufrieden, obwohl ich keine Freiheit kannte wie die anderen.» Er starrte auf den Waldboden und fügte leise hinzu: «Je länger ich lebe, umso schlechter werde ich.»
    «Was sagt Ihr da!», rief Karla erstaunt und stieß Pater Fürchtegott leicht an.
    Fürchtegott sah ihr ernst ins Gesicht. «Ja, Karla, so ist es. Leider. Gott strafe mich dafür. Früher, als junger Mann, da wollte ich kämpfen. Ein Streiter Gottes wollte ich sein, ein Gerechter Gottes. Und dann trat ich ins Kloster und wollte Gott so nahe sein wie möglich, ihm so gut dienen, wie es ich nur vermochte. Ich habe mir Mühe gegeben, aber mich ebenso oft gefragt, ob es die Mühe lohnt. Hochmütig bin ich darüber geworden. Ich habe Menschen beurteilt und verurteilt und dabei ganz vergessen, dass auch ich nur ein Mensch bin. Erst hier, im Dorf, habe ich das Menschliche in mir wieder gefunden. Die Angst, Klara, macht uns zum Menschen.»
    «Und zugleich macht die Angst die Menschen zu Ungeheuern.» Karla deutete auf den Waldrand.
    «Ja. Du hast schon wieder recht», erklärte der Pater. «Die Angst gebiert Helden und Teufel. Lass uns beten, dass uns der Herr die Angst nimmt.»
     
     
    «So, es ist an der Zeit. Lass uns gehen.»
    Pater Fürchtegott stand auf, klopfte sich ein paar Holzreste von den Kleidern.
    «Sie sind noch an der Mühle; ich kann sie hören.»
    Der Pater nickte. «Ja, wir müssen uns beeilen. Gleich werden die Lazarener ihren Exorzismus abhalten. Ich möchte nicht zu spät kommen.»
    Als sie am Rande der Mühle angekommen waren, sahen sie gerade noch, wie die Lazarener auf ihren Pferden davonritten. Pater Fürchtegott wandte

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