Teufelsmond
sanft über die Wange.
«Das warst also du?», fragte Dippel und schloss erschöpft die Augen und deutete mit dem Finger auf seine gutversorgte Wunde.
«Ja. Das war ich.»
«Und wo ist Else, meine treue Stubenkrähe?»
«In der Küche, vermute ich. Sie wird Euch das Frühstück richten.»
«Wer in Gottes Namen bist du?»
«Oh, ich heiße Karla und bin mit Pater Fürchtegott unterwegs. Er ist vom Erzbischof zum Exorzisten für Nordhessen bestimmt worden.»
«Ein Exorzist?»
«Ja.»
«Dann hat Gott also doch meine Gebete erhört.»
«Was meint Ihr damit, Hochwürden? Wollt Ihr einen Schluck Wasser?»
Karla griff nach dem Becher und der Kanne, doch Pfarrer Dippel war bereits wieder eingeschlafen, ohne Karlas Frage zu beantworten.
Wenig später saß Karla neben Pater Fürchtegott am Küchentisch. Else hatte den Speck in der Pfanne anbrennen lassen, sodass er an den Rändern verkohlt war. Das Brot war hart wie ein Backstein und die Milch so sehr mit Wasser verdünnt, dass sie durchsichtig wirkte. Else selbst saß Karla gegenüber und löffelte dicken Haferbrei mit getrockneten Apfelstücken und fetter Sahne. Ihre rechte Hand hielt einen groben Holzlöffel und bewegte sich so rasch wie ein Mühlrad bei Schneeschmelze zwischen Teller und Mund hin und her.
«Wie geht es Euerm Herrn? Ich hoffe, er hatte eine ruhige Nacht», fragte Pater Fürchtegott.
«Wie soll’s ihm schon gehen? Er hat geschlafen, sich gesund geschlafen. Ich wette, er kommt jeden Augenblick nach unten und verlangt seine Morgengrütze. Ich habe hier jedenfalls genug zu tun. Aber Ihr, Ihr solltet Euch auf den Weg machen. Der Sturm ist vorüber, und wenn Ihr bald aufbrecht, so werdet Ihr es heute noch bis nach Ziegenhain schaffen.»
Pater Fürchtegott blickte zu Karla. «Was sagst du dazu? Wollen wir nach dem Frühstück weiter?»
Karla zuckte mit den Achseln. Pater Fürchtegott sah aus, als täten ihm noch immer sämtliche Knochen weh. Und wenn Karla an ihren dünnen Umhang und an die Holzschuhe dachte, dann hatte sie nicht die geringste Lust, erneut durch die nassen, vom Nebel verhüllten Wege zu stapfen. Es war kalt draußen, in ihrem Hals kratzte es, und sie wünschte sich nichts mehr, als ein paar Tage der Ruhe. Deshalb wiegte sie den Kopf hin und her und überlegte laut: «Pfarrer Dippel wird natürlich nicht gleich nach unten kommen und sein Frühstück verlangen. Die Wunde an seinem Kopf ist ziemlich groß. Ich wette, er wird noch eine ganze Zeit lang so starke Kopfschmerzen haben, dass er kaum denken kann. Immerhin ist er noch so schwach, dass ein paar Worte ihn so erschöpfen, dass er sogleich in den Schlaf sinkt.»
«Unfug!» Else knallte den Holzlöffel in die leere Schale. «Er ist so gesund wie Ihr und ich. Er hat nur einen Ast auf den Kopf gekriegt. Ich bin sicher, den Ast hat es schlimmer erwischt als meinen Herrn. Das bisschen Kopfweh wird er ertragen. Was meint Ihr eigentlich, wie sehr mein Kopf schmerzt? Und erst der Rücken! Ich kann mich kaum bewegen, so steif fühle ich mich. Die ganze Nacht habe ich bei ihm gewacht. Im Lehnstuhl habe ich gehockt, ohne mich recken und strecken zu können. Es war bei Gott die Hölle.»
Pater Fürchtegott und Karla wechselten einen Blick, dann erklärte der Pater: «Nun, gute Frau, so habt Dank für alles. Wir werden Eure Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen. Sorgt gut für Euren Pfarrer Dippel. Die Gemeinde braucht ihn.»
Und Karla fügte mit einem listigen Lächeln hinzu: «Die Wunde muss morgens und abends neu mit einer Kompresse belegt werden. Und viel trinken muss Euer Herr. Kocht ihm am besten gleich jetzt einen neuen Sud aus Lindenblüten. Wenn die Wunde sich trotz Eurer Pflege entzünden sollte, so holt einfach ein paar frische Maden vom Friedhof und legt sie ihm auf die Stirn. Die Würmer fressen das faulende Fleisch ganz von selbst ab. Ihr müsst nur morgens und abends für frische Würmer sorgen. Grabt am besten bei den neuen Leichen und sammelt die Würmer direkt von deren Körper.»
Else sah Karla mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen an. Dann würgte sie und erbrach die gute Grütze in ihre leere Holzschüssel. Als sie wieder aufsah, war ihr Gesicht so blass wie frischer Quark, doch Karla war nicht zu bremsen. «Es kann gut sein, dass ein kräftiger Husten dazukommt. Immerhin lag der Mann eine ganze Zeit lang in der Kälte da draußen. Und in der Nacht, da hörte ich es schon rasseln in seiner Brust. Also, wenn es so weit ist, dann sucht Euch einen
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