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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Dach einer anderen Kate abgerissen. Blanke Holzlatten ragten wie Holzkreuze in den Morgen. Eine Kuh trottete laut blökend die Straße entlang und zog dabei das verletzte Hinterbein über den Schlamm. Unter Karlas Fenster lag ein totes Schwein. Zwei Krähen saßen auf seinem Kopf und hieben ihre Schnäbel in die toten Augen des Tieres, auf einem umgestürzten Baum saß eine dritte und schrie lauthals.
    Zäune lagen zersplittert am Boden, Büsche ragten mit den Wurzeln nach oben, Äste lagen kreuz und quer. Das ganze Dorf sah aus, als wäre in der Nacht eine Horde Söldner eingefallen.
    «Mach das Fenster zu, mir wird kalt.»
    Karla drehte sich um. Else war erwacht und fuhr sich mit mürrischer Miene durch das Haar. «Los, mach schon. Soll ich vielleicht erfrieren?»
    Leise, um den Pfarrer nicht aufzuwecken, schloss Karla den Holzladen.
    «Na endlich», maulte Else und wollte sich eine Decke von des Pfarrers Bett angeln.
    «Nehmt Eure Finger da weg. Der Pfarrer braucht Wärme. Er ist krank. Wenn Euch kalt ist, dann bewegt Euch. Ich wette, in der Küche ist das Feuer erloschen.»
    Else schoss hoch. «Willst du mir vielleicht Anweisungen erteilen? Bist du jetzt hier die Herrin im Haus?»
    Gelassen schüttelte Karla den Kopf. «Nein, bin ich nicht. Noch nicht. Aber wer weiß? Vielleicht will mich der Pfarrer behalten, wenn er gesund ist. Immerhin habe ich ihn gepflegt, während Ihr nur geschnarcht habt.»
    Else holte tief Luft und reckte ihren gewaltigen Busen nach vorn. Sie trat ganz dicht an Karla heran und zischte: «Wage es nicht, mir ins Handwerk zu pfuschen, Kleine. In diesem Haus ist mein Platz. Und zwar nur meiner. Hast du das verstanden?»
    Über Karlas Gesicht huschte ein Lächeln. «Gehört schon. Aber verstanden?»
    Karla betrachtete Else. Kaum zu glauben, dass sie nur ein halbes Dutzend Jahre älter als sie selbst sein sollte. Die Haut um ihre Augen war faltenfrei, die Stirn glatt, und Else hatte noch alle Zähne in ihrem Mund. Die Grämlichkeit war es, die sie älter machte und ihr die Lippen nach unten bog. War sie eine der alten Jungfern, die im Dorf keinen abgekriegt hatten? Oder haftete ein Makel an ihr, der nicht auf den ersten Blick zu erkennen war? Sie war keine Schönheit mit ihrer roten Nase, aber sie schien gesund und drall. Ein prächtiger Busen wogte unter ihrem Tuchkleid, das Haar war dick, die Arme und Beine kräftig. Sie sah aus, fand Karla, wie eine, die anpacken konnte, wenn sie nur wollte. Ihre Augen waren schmal und standen eng beieinander, sodass ihr Blick ein wenig verschlagen wirkte. Ihr graues Tuchkleid spannte ordentlich über den Hüften, und das Doppelkinn zitterte, sobald Else in Wut geriet. Alles in allem sah sie aus wie eine Bäuerin, wie eine, die einen ganzen Stall Kinder auf einen Streich mit Maulschellen versorgen und ihren Mann am Abend mit dem Ochsenziemer von der Schenke durchs Dorf direkt ins Bett treiben konnte, während sie mit der anderen Hand noch Reisig, das am Weg lag, aufsammelte.
    «Lege dich nicht mit mir an, Kleine», drohte Else, und Karla sah ein wütendes Flackern in ihren Augen. «Lege dich nicht mit mir an. Es ist schon vorgekommen, dass eine die Kellertreppe hinab und in den Tod gestürzt ist.»
    Mit dieser unverhüllten Drohung ließ Else Karla bei dem Kranken zurück. An der Tür wandte sie sich noch einmal um: «Pfarrer Dippel ist an mich gewöhnt. Was immer du auch tust, du wirst es nie so tun, wie er es von mir kennt.»
    Dann ließ sie die Tür gewaltig ins Schloss krachen.
    Der Pfarrer schrak auf von dem Lärm. «Wo … wo bin ich? Oh, mein Kopf. Und du? Wer bist du? Was ist hier eigentlich los?»
    Karla setzte sich auf einen Schemel neben dem Bett und wischte Pfarrer Dippel mit dem Essiglappen über die Stirn. «Ein Sturm hat gewütet. Wir fanden Euch auf dem Hof. Gut möglich, dass ein herabstürzender Ast Euch am Kopf getroffen hat. Jedenfalls habt Ihr dort eine offene Wunde.»
    Die Hand des Pfarrers fuhr nach oben, doch Karla hielt sie fest. «Nicht anfassen. Ihr habt eine Kompresse mit Brot und Zwiebeln auf der Wunde, damit sich nichts entzündet. Erinnert Ihr Euch? Hat Euch ein Ast niedergestreckt?»
    Der Pfarrer stöhnte leise. «Ein Ast?», hörte Karla ihn flüstern. «War da ein Ast?»
    «Wisst Ihr es nicht mehr?»
    «Nein, von gestern weiß ich nichts mehr. Nur dass die Else die Suppe vom Vortag nicht mehr dahatte. Wo schleppt sie das Zeug immer hin?»
    «Ich habe keine Ahnung», erwiderte Karla leise und strich dem erschöpften Mann

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