Teufelsmond
waren riesig groß vor Neugier. «Ist jemand gestorben?»
Diesmal nickte Alrun. «Ja, aber das muss Euch nicht kümmern. Haltet ein mit dem Geschwätz und stehlt dem Herrgott nicht den Tag.»
Pater Fürchtegott blickte verwundert auf das alte Weiblein, das sich so empörte. «Ich werde die Totenglocke läuten», erklärte er und machte sich auf den Weg zur Kirche.
Karla ging zum Pfarrhaus, wo sie eine aufgebrachte Else erwartete. «Du kommst so hier nicht rein», teilte diese ihr mit, als sie das Haus betreten wollte. «Du bist nicht rein, und ich lasse nicht zu, dass das Pfarrhaus verunreinigt wird.»
«Was soll ich tun? Im Bach baden?» Karla schüttelte den Kopf, zog aber die Schuhe aus und begab sich sogleich zum Eimer, um sich die Hände zu waschen. Else brachte ein Krüglein. «Weihwasser ist dadrin. Letztes Ostern vom Abt des Hersfelder Klosters höchstselbst gesegnet.» Sie goss sich ein paar Tropfen davon in die Hand und bespritzte Karla damit.
«Hör auf! Was soll denn das?», schimpfte Karla, schüttelte ihren Umhang aus und hängte ihn auf. Die Else, inzwischen wieder auf der Küchenbank, sah ihr zu. «Was ist los da drüben bei der Mühle?», fragte sie, und ihre schmalen Augen glitzerten vor Sensationslust.
«Der Jost ist tot, und die Tante wird auch bald das Zeitliche segnen.»
Die Else bekreuzigte sich, besprühte sich selbst mit dem geweihten Wasser und flüsterte ein «Gegrüßet seist du, Maria» und ein Vaterunser. Dann beugte sie sich über den Tisch, sodass ihre Brüste wie Kürbisse auf dem Holz lagen, und fragte: «Erzähl. Was ist dort los? Wer hat was gesagt, wer hat was gemacht? Na, los, sage schon!»
«Es gibt nichts zu erzählen», erklärte Karla. «Die Müller trauern. Mir dreht sich das Herz im Leibe um, wenn ich nur daran denke. Die Müllerin ist weiß geworden, und die Sofie ist ganz versunken in ihrem Schmerz.» Karla zeigte mit dem Finger auf die Else. «Und niemand aus dem Dorf geht rüber und kümmert sich. Warum nicht? Du bist die Haushälterin des Pfarrers. Du müsstest die Erste sein, die ihre Hilfe anbietet.»
«Pft!», machte die Else. «Ich habe einen schlimmen Rücken, das weißt du genau. Und denkst du vielleicht, die Michelsmüller kommen und helfen mir bei der vielen Arbeit, die die Pfarrstelle macht? Die kommen nicht mal zum Gottesdienst!»
«Das tun die anderen Alweröder auch nicht», fauchte Karla. Sie wollte plötzlich weg von hier, weg von der faulen, dummen Else, und vergaß darüber beinahe, dass Pater Fürchtegott sie gebeten hatte, ihre Freundin zu werden. Mit vor Ärger zitternder Stimme fragte sie: «Was hast du gegen diese Leute? Was habt ihr alle gegen diese Leute? Die haben euch doch gar nichts getan!»
«Als ob du das wüsstest!», fauchte die Else zurück. «Seit die hier sind, gibt es nur Leid.» Sie hob den Finger: «Denke an meine Worte!», flüsterte sie. «Es wird nicht bei diesen Toten bleiben. Es werden noch mehr dazukommen, so wahr mir Gott helfe!»
Karla hätte sich am liebsten auf Else gestürzt, hätte sie gern geschüttelt und ihr das Leid der Müller ins Gesicht geschrien, doch sie besann sich anders, nahm ihren Umhang vom Haken und stürmte hinunter zur Kirche.
Gerade als sie dort ankam, begann die Totenglocke zu läuten. Karla sah sich um, sah Bewegungen hinter den Fenstern, fühlte sich beobachtet. Aber sonst geschah nichts. Gar nichts. Wenn in ihrem Weiler die Totenglocke geläutet hatte, dann waren alle Bewohner auf die Straße geeilt. Jeder hatte wissen wollen, wen es getroffen hat, und jeder war dankbar gewesen, dass sein Haus und Hof dieses Mal verschont geblieben war.
Hier aber kam niemand.
Karla sah die Straße hinauf und hinab, doch keine Türe öffnete sich, kein Fensterladen wurde aufgestoßen. Das Dorf lag da wie ausgestorben. Nur der Rauch aus den Schornsteinen kündete vom Leben. Da hielt es Karla nicht länger aus. Sie stürmte die Straße entlang, klopfte an das Tor des Glenbauern. Er selbst öffnete ihr. «Was willst du?»
«Die Totenglocke, hört Ihr sie nicht? Wollt Ihr nicht Ehre erweisen?»
«Ich weiß von keinem Toten. Alle, die ich kenne, sind am Leben.» Mit diesen Worten schlug ihr der Glenbauer die Türe vor der Nase zu. Doch nur wenige Augenblicke später sah sie ihn hinter dem Fenster im oberen Stockwerk stehen.
Karla rannte weiter, rannte zur dürren Bernadette. «Die Totenglocke läutet. Kommt raus und zeigt Euer Mitgefühl.» Karla schrie beinahe.
Die dürre Bernadette bekreuzigte sich
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