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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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war sie von Unbehagen erfüllt. Es war, als hätte sie jetzt begriffen, dass es nicht nur gute Geister gab; als hätte sie den fauligen Atem des Bösen gespürt, der über ihre Wangen strich.
    Unten hörte sie Else mit Töpfen klappern, und dieses Geräusch schreckte sie so auf, dass sie ihren Platz am Fenster verließ und sich in die Küche begab. Die Else, die faule Else, hatte den bisherigen Heiligen Abend gänzlich in ihrem Lehnstuhl zugebracht. Ihr Stöhnen und Klagen hatten das ganze Haus erfüllt. Auch jetzt, da in den ersten Häusern die Kerzen angezündet worden waren, stand sie in der Küche, eine Hand ins Kreuz gepresst. «Hach», jammerte sie. «Das Weihnachtsessen muss zubereitet werden. Welch Glück, dass mir der Vetter einen Karpfen gebracht hat. Ich hätte ja nicht gewusst, wo ich ein Weihnachtsessen hätte auftreiben können. Und nun schwimmt er da im Zuber, muss ausgenommen werden, aber, bei Gott, ich kann mich kaum bücken.»
    Wortlos schob Karla die Else zur Seite, holte den Karpfen aus dem Zuber, schlug ihm den Hammer auf den Kopf und schlitzte das noch immer zuckende Tier auf. Sie entnahm ihm die Eingeweide, übergoss es mit heißem Wasser und nahm sich ein Messer, um den Karpfen zu entschuppen.
    «Heute ist Weihnachten, wir sollten nicht streiten», sagte Karla. «Heute ist uns der Heiland geboren.»
    «Ja, ja», erwiderte die Else. «Jedes Jahr dasselbe. Das weiß jedes Kind. Ist der Karpfen auch fett? Reicht er für alle?»
    Karla betrachtete das Tier. «Für uns vier langt er allemal.»
    Die Else schüttelte den Kopf. «Es muss etwas übrig bleiben.»
    «Warum? Für wen? Erwarten wir Gäste?»
    Die Else verzog verächtlich den Mund. «Die Gehilfin des Exorzisten willst du sein und weißt nicht einmal, dass im Weihnachtsmahl die Speisen für die Geister enthalten sind? Du hast doch an das Brot gedacht, oder?»
    Karla seufzte. Sie kannte von der alten Grit den Brauch, an Weihnachten, das Grit Julfest genannt hatte, ein langes Brot, groß und schwer wie ein Kleinkind, auf den Tisch zu legen, daneben ein Messer, damit die Geister sich daran laben konnten. Niemand sonst hat so gehandelt in ihrem Weiler. Nur die Grit. Und jetzt wollte die Else die alten Bräuche in einem Pfarrhaus abhalten?
    «Wie habt ihr in den letzten Jahren Weihnachten gefeiert?», fragte Karla und bemühte sich um Freundlichkeit.
    «Wie schon? Wie überall. Wir gehen zur Christmesse, wir verspeisen das Weihnachtsmahl, und hernach ist alles vorbei. Warum soll es auch anders sein? Ich jedenfalls habe noch nie das Christkind gesehen oder den Weihnachtsfrieden gespürt. Nicht einmal die Heilige Jungfrau ist hierhergekommen, dabei ist doch gerade sie die Heilige der Weiber.»
    «Hm», murmelte Karla. «Bist du denn sicher, dass du die Heilige Jungfrau auch bemerkt hättest?»
    Else stützte die Hände auf den Tisch. «Na höre mal», empörte sie sich. «Wie soll ich sie bemerken, bei all der Arbeit hier. Die Heilige Jungfrau hat es gut. Sie sitzt den ganzen Tag im Himmel und lässt sich von den Engeln Hosianna vorsingen. Solch ein Leben wünsche ich mir auch, da sei gewiss.»
    Karla grinste in sich hinein, als sie sich die Else als Jungfrau Maria vorstellte mit ihrer roten Nase, den überdrallen Hüften und den missmutig zusammengekniffenen Augen. «Wahrscheinlich würdest du als Maria die Engel zusammenstauchen, weil sie mit dem Erdenschmutz deinen himmlischen Fußboden verdrecken.»
    Else antwortete nicht. Sie hatte den Kopf in die Hände gestützt und sah in die Ferne. «Ach, es muss schön sein im Himmel», sagte sie. «Kein Schmutz, keine Kochtöpfe und Wäschezuber, kein schmerzender Rücken, dafür weiche Wolkenbetten und Milch und Honig immerzu.»
    Karla ließ den Karpfen sinken und unterdrückte ein Kichern. «Als Maria, meine Liebe, hättest du allerdings noch mehr zu tun als hier. Auf der Erde musst du dich nur um den Pfarrer Dippel kümmern, als Maria bist du die Schutzpatronin aller Weiber. Also auch der Bernadette, der Dorfschulzin, der Gertie und all der anderen.»
    Diese Worte rissen Else aus ihrer Träumerei. «Das stimmt wohl», murmelte sie erschrocken.
    «Also bleib lieber auf der Erde», sprach Karla und kümmerte sich weiter um den Karpfen und das Brot, und danach wischte sie die Küche und kehrte die Stiege und schaute nach dem Dippel und holte die Wäsche herein und füllte den Holzkorb und setzte einen guten Würzwein an. Sie hatte damit bis zum Beginn der Christmesse zu tun. Kaum schaffte sie es, sich

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