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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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man Euch?»
    Der Michelsmüller lachte kurz auf. «Das ist eine lange Geschichte. Jetzt bitte ich Euch um Eile, denn ich fürchte um meinen Bruder.»

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    Vierzehntes Kapitel
    Karla saß auf einem Stapel Holz im Schuppen der Michelsmühle und versuchte, die Füße stillzuhalten, während sie ihren Gedanken nachhing.
    Gerade war sie im Wohnhaus gewesen. Pater Fürchtegott hatte am Bett des Jungen gestanden und ihm die Beichte abgenommen, anschließend wollte er sich um Jos Tante kümmern. Sofie hatte in der Küche die beschmutzte Wäsche ihres Bruders eingeweicht, die Mutter saß in einem Lehnstuhl dabei, die müden Augen geschlossen, und hielt den Säugling auf dem Schoß. Niemand sprach ein Wort. Sofies Bewegungen waren langsam und so, als litte sie Schmerzen. Kaum konnte sie den Eimer heben und damit den Zuber füllen. Ihr glänzendes Haar war strähnig, und Karla schien es, als hätte sie es an einigen Stellen ausgerupft.
    Die Michelsmüllerin schien nicht mehr ganz von dieser Welt. Ihre Augen waren trübe, die Lippen aufgebissen und die Nase vom Weinen rot geschwollen. Sie trug dieselbe Kleidung wie bei Karlas erstem Besuch und sah aus, als hätte sie seitdem weder gegessen noch geschlafen. Wirr hingen ihr die grauen Strähnen unter der verrutschten Haube ins Gesicht, aber sie machte keine Anstalten, sie wegzustreichen.
    «Kann ich helfen?», hatte Karla gefragt. Aber Sofie hatte nur den Kopf geschüttelt, während die Michelsmüllerin noch nicht einmal die Augen geöffnet hatte. Da war Karla gegangen. Schmerz, hatte sie gedacht, konnte man nicht teilen. Schmerz machte einsamer als der kälteste Winter. Schmerz schnitt die Bindungen zwischen den Menschen entzwei. Schmerz war so stark, dass für nichts anderes mehr Platz blieb.
    Sie war in den Schuppen zu Jo gegangen, der damit beschäftigt war, einen zweiten, kleineren Sarg zu zimmern. Er hatte ein paar Nägel im Mund und schlug mit dem Hammer zwei Teile zusammen. In seinem Rücken stand der Sarg mit dem Leichnam seines Vaters.
    «Störe ich?», hatte Karla gefragt.
    Der schwarze Jo hatte den Kopf geschüttelt und mit der Hand auf den Holzstapel gewiesen. Karla verstand. Jetzt saß sie dort und beobachtete den Michelsmüller. Sorgsam wählte er ein Brett, strich mit der Hand über die Seiten, dann glättete er es mit einer Feile. Nichts, was Karla bisher erlebt hatte, rührte sie so wie dieses Glätten. Der kleine Jost würde nichts mehr davon haben, wenn er tot war. Doch die Fürsorge seines großen Bruders reichte über das Grab hinaus. Jo behandelte die Bretter mit so großer Sorgfalt, als wäre es der Bruder selbst. Auch der Sarg des alten Müllers war sorgfältig gearbeitet. Trotzdem schien es Karla, als würden die Nägel sich selbst aus dem Holz ziehen. Wenn sie genau hinschaute, schien es sogar, als wäre der Deckel in der Mitte ein wenig nach oben gewölbt, ganz so, als hätte der Michelsmüller einen mächtigen Wanst, der sich nur mit einer Delle verstauen ließ. Aber der Michelsmüller war nicht dick gewesen; im Gegenteil.
    Endlich nahm Jo die Nägel aus dem Mund. «Wie schaut es aus da drüben?», fragte er.
    «Sie sind starr vor Schmerz», sagte Karla.
    Jo nickte, dann nahm er einen Tonkrug vom Boden und hielt ihn Karla hin, aber sie war nicht durstig. Er setzte den Krug an und trank ihn bis auf den letzten Tropfen aus.
    «Es ist niemand aus dem Dorf gekommen, um Euch zu helfen.»
    «Es wird auch niemand kommen», erklärte der schwarze Jo. Durch die geöffnete Schuppentür blickte er hinüber nach Alwerode, dann nahm er den Hammer auf, besah ihn, als wäre er nagelneu, legte ihn wieder zur Seite und setzte sich zu Karla auf den Holzstapel.
    «Es wird niemand kommen», wiederholte er.
    Warum? Was haben sie gegen Euch?, wollte Karla fragen, doch sie schwieg, wartete ab, bis der Michelsmüller von selbst zu sprechen begann.
    «Ich bin in der Mühle hier geboren. Meine Geschwister ebenfalls. Aber die Familie hatte in den Jahren davor in Asterode gelebt, dem Nachbarort auf der anderen Seite des Ziegenberges. Meinen Großeltern gehörte die Mühle dort; Großonkel und Großtante betrieben die Gerberei.
    Alle standen unter der Herrschaft des Grafen von Ziegenhain. Es lebte sich gut so; alle waren zufrieden. Dann aber starb das Ziegenhainer Geschlecht aus, und der Landgraf von Hessen übernahm das Gebiet. Nun waren sie seine Untertanen. Aber der Landgraf war anders. Nicht schlechter. Nicht besser. Anders. Der Großvater wollte die

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