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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Himmel und sprach laut und deutlich das Vaterunser. Die Dorfleute taten es ihm nach und zwar mit einer solchen Inbrunst, wie sie nur nach überstandenen Gefahren zu hören ist.
    Danach zogen die ersten über die Äcker zurück zum Dorf. Einige aber, die sich vor der Kälte ihrer Betten fürchteten, allen voran der Beckmann, begaben sich zum Mühlenhof, hockten sich auf den Rand des Brunnens und löschten nach den Strapazen der Nacht ihren Durst, während sie misstrauische Blicke zum Haus warfen.
    Der Dorfschulze, der nicht mehr ganz nüchtern war, füllte die leere Kanne mit dem Brunnenwasser der Michelsmühle.
    «Was tust du da?», wollte der Beckmann wissen.
    Der Dorfschulze grinste schlau. «Das Gelände ist exorziert, nicht wahr? Also ist das Brunnenwasser rein und klar wie die Tränen einer Jungfrau. Meinem Jüngsten werde ich davon zu trinken geben. Er kränkelt schon wieder. Das Wasser wird ihm auf die Beine helfen.»
    Der Beckmann nickte nachdenklich, dann schöpfte er mit den Händen Brunnenwasser aus dem Eimer und trank ausgiebig davon.

[zur Inhaltsübersicht]
    Dreiundzwanzigstes Kapitel
    Seit der Nacht auf dem Friedhof der Michelsmühle bleichte die Glenbäuerin langsam aus. Einst war sie drall und prall gewesen, hatte ihre vollen Brüste wie Kohlköpfe in der Auslage vor sich hergetragen, und jeder hatte Angst haben müssen, dass diese Kohlköpfe einfach aus dem Stoff sprangen. Sie war nach heftigen Regengüssen mit hochgerafften Röcken durch den Schlamm gewatet und hatte sich einen Teufel darum geschert, ob man ihre Schenkel sah oder nicht. Sie war stets bereit, ihren Kindern ein paar saftige Maulschellen zu versetzen, und trug das jüngste so lange an ihrer Brust, wie es nur ging. Die Glenbäuerin war ein Weib durch und durch. Trudl, die Magd, kuschte vor ihr, die Knechte gehorchten aufs Wort, und wenn sie das Vieh molk, so wrang sie jedes Euter bis auf den letzten Tropfen aus. Kamen Händler ins Dorf, hielten sie ihren Karren oder ihr Fuhrwerk vor dem Glenhaus, denn sie wussten, die Bäuerin war eine gute Käuferin. Kein anderes Weib im Dorf zerbrach so viele Kochlöffel wie sie. In keinem anderen Haus beulten die Töpfe stärker aus, ging mehr Steingut zu Bruch. Dabei war die Glenbäuerin eine gute Haushälterin; auch davon konnten die Händler ein Lied singen. Sie feilschte um jeden Pfennig, schob ihre Kinder dazu, klagte über die schlechte Ernte und die hohen Preise, schimpfte die Händler Halsabschneider und brach, wenn Not am Mann war, auch schon einmal in Tränen aus, sodass die Händler ihr am Ende doch den Willen und die Kochlöffel zu einem günstigen Preis überließen. Herrschte aber tatsächlich Not im Dorf, so wie in diesem Jahr, nachdem ein Hagelschlag die Ernte vernichtet und der große Herbststurm weitere Schäden angerichtet hatte, so war die Glenbäuerin die Erste, die die Ärmel aufkrempelte, das Jammern einstellte und sich bückte.
    Nun aber blich sie aus. Jeden Tag ein bisschen mehr. Karla hatte es zuerst gesehen, als die Glenbäuerin am Tag nach dem Exorzismus mit Bernadette am Zaun gestanden hatte. Ihre Stimme hatte leiser geklungen, ihr Lachen hohler und schriller. Und schon nach wenigen Worten hatte sie die Unterhaltung abgebrochen und war zurück auf ihren Hof geschlappt mit eingesunkenen Schultern, den Blick nach innen gerichtet.
    Bernadette hatte ihr nachgesehen und geseufzt. Auch sie hatte sich verändert seit der Nacht auf dem Gottesacker. Doch im Gegensatz zur Glenbäuerin hielt sie nun den Rücken gerade, die Schultern gestrafft und den Blick so gut nach vorn gerichtet, wie es nur ging. Karla, die lange am Fenster ihrer Kammer stand und auf das Dorf hinabsah, schien es, als wäre Bernadette gewachsen, während die Glenbäuerin über Nacht kleiner geworden war.
    Und Karla hatte auch die Trudl gesehen, die über die Gasse huschte, als fliehe sie. Die bei jedem zweiten Schritt über ihre Schulter sah, als folge ihr jemand. Und die so gehetzt war, dass sie morgens am Schorbach beim Wasserholen kaum mehr Zeit für ein Schwätzchen hatte.
    Hin und wieder hatte die Trudl auffordernd zur stummen Rieke, der Magd des Dorfschulzen, geschaut. Aber die Rieke, die mit einem Mal ein feines Lächeln um den Mund trug, hatte stets in eine andere Richtung geblickt.
    Sogar die faule Else hatte sich verändert. Eine Stunde trällerte sie in der Küche mit hohen Tönen ein Küchenlied, eine Stunde später hockte sie zitternd auf der Bank und konnte sich nicht rühren. «Ein Nervenfieber»,

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