Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
faltete die Hände und schlug ihren Kopf auf den Boden. «Ich will nicht sterben. Das Käuzchen soll schweigen. Ich will noch nicht sterben. Bitte, lieber Gott, lass mich leben. Du weißt, dass ich das alles nicht gewollt habe. Du weißt, ich hätte ihn nicht zurückhalten können, so sehr ich’s auch wollte. Ich will noch nicht sterben.»
    «Halt’s Maul, Weib!» Der Glenbauer trat nach seiner Frau. «Hoch mit dir. Na los, wird’s bald!» Er packte sie am Ärmel und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Karla war es, als hätte sie gehört, wie er sagte: «Jeder richtige Mann nimmt sich, was er braucht. Und wenn du mir nicht gibst, was ich verlange, dann muss ich es mir eben bei anderen holen.»
    Für einen Augenblick schien es Karla, als wollte er ausholen und ihr eine saftige Maulschelle verpassen, doch dann stieß er sie einfach nur zurück, sodass sie ins Taumeln geriet.
    Die Wegenerin hatte sich zur Bernadette gebeugt. «Was war das?», fragte sie. «Was hat die Glen nicht verhindern können?»
    Der Hettrich war ein Stück auf den Wald zugegangen. Er nahm einen Stein vom Acker und warf ihn nach dem Käuzchen. Der Vogel kreischte noch einmal, dann flog er auf und verschwand.
    «Geht es jetzt weiter?», fragte er den Pater.
    «Wenn Ihr bereit seid?»
    Bernadette nickte. Sie nahm die Wegenerin bei der Hand, und die Wegenerin packte die Else, und die Else fasste die Hand der Dorfschulzin.
    Wieder hob der Pater die Arme, wandte das Gesicht zum Himmel. «Es erhebe sich Gott, dass seine Feinde zerstreut werden und dass, die ihn hassen, vor seinem Angesichte fliehen.»
    Er hielt inne und musterte seine Gemeinde. Doch niemand machte nun mehr Anstalten, sich vom Acker zu machen.
    «Wie der Rauch vergeht, so sollen sie vergehen; wie das Wachs schmilzt im Feuer, so mögen die Sünder vergehen vor dem Angesicht Gottes!»
    «Amen!», riefen die Leute. Die Glenbäuerin hatte zu weinen begonnen. Ihr Schluchzen hallte weithin durch die Nacht, wurde von einem Hund aufgegriffen, der schauerlich heulte.
    Pater Fürchtegott zog ein Holzkreuz aus seiner Kutte und hielt es in Richtung der Särge. «Seht hier das Kreuz des Herrn; fliehet, ihr feindlichen Mächte!»
    Die letzten Worte schrie er, so laut er konnte. Mittlerweile rannen auch der Else die Tränen über die Wangen.
    «Ja, fliehet!», rief die Bernadette und richtete ihren Rosenkranz nach den Särgen aus.
    «Wir treiben dich aus, unreiner Geist, wer du auch sein magst, jedwede teuflische Gewalt, jeden Angriff des höllischen Gegners, jede teuflische Legion, Verunreinigung und Sippe!»
    «Amen!»
    «Im Namen und durch die Kraft unseres Herrn Jesu Christi seiest du entwurzelt und vertrieben aus der Kirche Gottes und aus den nach Gottes Ebenbild geschaffenen und durch das kostbare Blut des göttlichen Lammes und der erlösten Seelen!»
    «Amen!»
    «Amen, liebster Herr Jesus. Amen, süßer Heiland!», schrie die Glenbäuerin wie von Sinnen. Sie war wieder auf die Knie gesunken, trommelte sich mit beiden Fäusten auf die Brust und riss an ihrem Kleid. Die Augen funkelten irre, ihr Mund stand halb offen. «Amen, liebster Jesus, Amen!», schrie sie.
    Die anderen Weiber hielten sich noch immer an den Händen und betrachteten mit Unverständnis das Glenweib.
    «Was hat sie nur?», fragte die Dorfschulzin mit banger Stimme.
    Bernadette zuckte mit den Achseln und fixierte die sich verrückt gebärdende Glenbäuerin. «Wer weiß? Vielleicht hat sie eine Schuld auf sich geladen, die sie jetzt erdrückt.»
    Obwohl das Licht der Fackeln den Ort nur ungenügend erleuchtete, erkannte Karla die Veränderung in den Augen der Frauen. Augen, die schon so viel gesehen hatten, dass es für den Rest des Lebens ausreichte. Augen, die dunkel und verhangen waren von etwas, das Karla sich nicht erklären konnte. Augen, die müde waren und leer und sich am liebsten für immer schließen wollten. Sie erschrak. Nicht die Wut der Männer, nicht die Besessenheit des Glenbauern machten ihr Angst, sondern die Augen der Frauen, die hier auf dem Gottesacker standen, weil sie es mussten. Die alles taten, einfach, weil sie es mussten. Es gab nur dieses eine Leben für sie. Dieses Leben auf dem Dorf am Fuße des Ziegenberges. Dieses Leben an der Seite gerade dieser Männer und mit diesen Kindern. Dieses Leben, aus dem es kein Entrinnen gab und kein Sichaufbäumen dagegen. Dieses Leben, das war, wie es war, und das einzige war, was sie hatten.
    Der Glenbauer packte sein Weib, zerrte es mit schleifenden Röcken über

Weitere Kostenlose Bücher