Teufelsmond
die Erde hinaus aus dem Lichtkreis der Fackeln. Dort ohrfeigte er sie, dass es durch die Stille schallte. Als die Glenbäuerin schluchzend am Boden lag, kam er zurück, riss dem Beckmann das Brecheisen aus der Hand.
«Was jetzt, Pater?»
Fürchtegott schwenkte das Weihrauchfässchen ein wenig, sah hinauf zu den Wolken und schluckte. «Es steht geschrieben, dass man die Nachzehrer mit dem Gesicht nach unten im Sarg annageln soll.» Seine Worte hatten an Kraft verloren.
«Dann tun wir das!», erklärte der Glen. «Los, fass an. Nimm die Füße!»
Der Beckmann wurde bleich, doch er gehorchte, packte den Leichnam des toten Michelsmüllers bei den Knöcheln und drehte ihn so, dass er im Sarg auf dem Bauch zu liegen kam.
«Nägel in Hände und Füße?», fragte der Glenbauer so laut, dass es auch der letzte hörte.
Der Pater schluckte. Der Dorfschulze hob wortlos die Kanne vom Boden und trank einen kräftigen Schluck vom Branntwein.
Der Glenbauer nahm aus der Tasche eines breiten Ledergürtels vier Hufnägel und nagelte die linke Hand des Toten an den Sargboden.
Die Else schwankte und rang nach Atem, während der Dorfschulze schon wieder einen Schluck Branntwein brauchte. Bernadette stöhnte auf, presste eine Hand auf ihr Herz und sah geschwind in eine andere Richtung. Der Hettrich sprang an die Seite und würgte. «Reiß dich zusammen!», zischte Bernadette ihn an, doch schon ergoss sich ein Schwall Erbrochenes auf den Friedhofsboden.
Der Glen nahm den zweiten Nagel und hieb ihn durch die Hand des Toten. Stille herrschte, nur die Hammerschläge waren zu hören. Mit einem Mal stöhnte der Tote laut auf. Die Wegenerin schrie und griff nach ihrem Rosenkranz. Hinter ihr sackte Else lautlos zusammen.
Der Dorfschulze hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und murmelte dahinter: «Nein, nein, das ertrage ich nicht länger.» Er griff wieder nach der Branntweinkanne, aber die war inzwischen leer. Gehetzt sah der Schulze um sich, als suche er nach einem Fluchtweg.
Der Pater ging zu ihm. «Du wirst hierbleiben, Schulze, so wie alle anderen auch. Ihr wolltet zu Mördern werden, und jetzt packt Euch das Grausen schon, wenn es einem Toten an den Kragen geht. Reißt Euch zusammen, Herrgott noch eins.»
Der Glenbauer hatte nun auch die Füße an den Sargboden genagelt und stand auf. Sein Gesicht war bleich. Er hatte die Zähne zusammengebissen und strahlte wilde Entschlossenheit aus. «Los, Hettrich, den nächsten Sarg. Henn, pack auch du mit an!», kommandierte er.
Henn Wegener hob abwehrend beide Hände vor die Brust. «Ich … ich … kann das nicht», stotterte er. Der Glenbauer schwang den Hammer in Richtung des Gerbers und Schuhmachers. «Du kannst, sage ich dir. Wenn nicht, erzähle ich, was du sonst noch so alles kannst, wenn keiner hinschaut!»
Der Wegener wurde blass, riss mit einem wütenden Zischen dem Glen den Hammer aus der Hand und machte sich an der Leiche des jungen Jost zu schaffen.
Die Else lag auf dem Boden und gab keinen Laut von sich. Die Wegenerin hatte sich neben sie gekniet und kniff ihr in die Wangen. Am Rande des Gottesackers lag die Glenbäuerin im Dreck und rührte sich nicht. Nur hin und wieder war ein leises Wimmern von ihr zu hören.
Die Wolkendecke war mittlerweile weiter aufgerissen. Der Halbmond schickte blassgelbe Strahlen zur Erde, die sattgelben Fackeln begannen zu flackern.
Am Rande des Waldes stiegen Nebel auf, ließen die Bäume wie riesige Gespenster wirken, die vom Wind hin und her geschüttelt wurden.
Plötzlich, der letzte Sarg wurde eben zurück in die Grube gelassen, frischte der Wind auf und erstickte sämtliche Fackeln. Einer schrie, ein anderer stöhnte, wieder jemand anders begann lauthals zu schluchzen und eine Stimme rief gar nach der Mutter.
«Ruhig!» Der Pater sprach laut und deutlich. «Ihr braucht keine Angst zu haben, das war nur der Wind. Entzündet die Fackeln neu.»
«Der Herr wird uns strafen. Das Jüngste Gericht steht bevor», jammerte die Dorfschulzin und krallte sich an ihrem Mann fest.
Der Hettrich hatte mit Zunder die erste Fackel wieder zum Brennen gebracht. Nach und nach entzündeten sich auch die anderen Lichter.
«Begrabt die Särge. Es ist genug für heute», befahl Pater Fürchtegott. Karla, die dicht neben ihm stand und ebenfalls vor Furcht schlotterte, sah, dass er müde und erschöpft war.
Schneller als gedacht waren die Särge zurück in der Erde. Nach der letzten Schaufel breitete Fürchtegott erneut die Hände aus, blickte zum
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