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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Kreuz standen, die brennenden Fackeln zu ihren Füßen.
    Langsam umrundete er jede einzelne der drei Kisten und schwenkte dabei das Weihrauchfass. Als der Weihrauch wie Nebel über dem Friedhof lag, breitete er erneut die Arme aus, wandte das Gesicht zum Himmel und rief: «Im Namen Jesu Christi, unseres Gottes und Herrn, und durch die Fürsprache der unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter Maria, des heiligen Erzengels Michael, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und aller Heiligen unternehmen wir zuversichtlich den Kampf gegen die Angriffe und Arglist des Satans.»
    «Amen!», riefen die Dorfleute wieder. Die Männer wischten sich den Schweiß von der Stirn, den sie im Auftrag des Paters vergossen hatten.
    Else, die ganz dicht beim Grab des jungen Jost stand, zitterte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und Karla las darin neben der Furcht noch etwas anderes: Sensationslust.
    «Brecht die Särge auf!», befahl der Pater.
    Die Männer wichen entsetzt einen Schritt von den Holzkisten zurück. «Na los doch, Ihr wollt doch das Böse bannen. Also ziert Euch nicht.»
    Der Hettrich knüllte seine Kappe in den Händen. «Nein, Pater, das geht zu weit. Es ist eine Sünde, die Friedhofsruhe zu stören.»
    Der Pater nickte, dann fauchte er die Männer an: «Särge aufmachen, das wollt Ihr nicht, da schiebt Ihr die Sünde vor. Aber gestern hattet Ihr keine solchen Bedenken, und heute hättet Ihr den Hof der Michelsmüller abgebrannt, ungeachtet derer, die darin wohnen. Leichen zu fabrizieren, das hättet Ihr in Kauf genommen, aber einen Sarg öffnen, das könnt Ihr nicht!»
    Der Hettrich schluckte, und der Dorfschulze verbarg sich hinter dem breiten Kreuz seiner Frau. Nur der Glenbauer stand wie eine Eiche, die Beine gespreizt, den Spaten in der Hand.
    «Du hast sie hergeführt, Glenbauer. Du hast sie aufgewiegelt zu dieser Bluttat. Nun zeige, was für ein Kerl wirklich in dir steckt.» Der Pater bückte sich, hob ein Brecheisen auf, das ihm jemand vor die Füße geschmissen hatte, und reichte es dem Glenbauern.
    Der nahm es, fixierte den Pater mit einem langen Blick, dann wandte er sich dem ersten Sarg, dem des alten Michelsmüllers zu.
    Die Weiber kreischten, als der Glenbauer den Sargdeckel hob. Der Hettrich, der am nächsten stand, presste sich sein Halstuch vor Mund und Nase, doch der Geruch, der aus dem Sarg aufstieg, legte sich wie eine Wolke über die Gesellschaft. Bernadette hustete, die Wegenerin presste ihre Nase in ein Säckchen mit Kräutern, doch nichts half gegen den klebrigen Geruch, der sich in die Haare, in die Kleider, auf die Haut und sogar in den Mund der Alweröder setzte. Alle waren so weit zurückgewichen, wie sie konnten, doch Pater Fürchtegott trieb sie zurück an ihre Plätze im Kreuz.
    «Nun die anderen beiden, Glenbauer!», befahl er. Doch der Glen schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war grau im Fackelschein, und um seine Augen hatten sich dunkle Schatten gelegt.
    «Das soll ein anderer tun!»
    Der Beckmann trat vor. «Ich mache es!»
    «Du?» Der Glenbauer betrachtete Beckmann, als wäre dieser eine Küchenschabe.
    «Ja. Ich. Wenn du es nicht wagst, wenn du nur den einen Sarg schaffst, dann werde ich eben die anderen öffnen.» Er blähte die Brust und bekreuzigte sich. «Für die Lissi will ich es tun, damit sie ein wenig früher aus dem Fegefeuer kommt.»
    Als der Glen das hörte, wurde er noch blasser. Er packte das Brecheisen mit beiden Händen und hebelte die beiden anderen Särge auf.
    Der Geruch verstärkte sich, legte sich auf alles, was da war. Die Wolkendecke riss auf, und der fahle Mond malte hellgraue Schatten auf den Friedhof.
    «Es ist … auf einmal … plötzlich … es ist so furchtbar kalt», jammerte die Dorfschulzin und klammerte sich an ihren Mann.
    «Sie hat recht», fand die Bernadette. «Kalt wie in einer Eishöhle ist es.»
    «Das ist der Hauch des Bösen», verkündete die Wegenerin und wich von ihrem Platz weg.
    «Halt!», schrie Pater Fürchtegott. «Niemand verlässt den Friedhof. Wenn jemand geht, ist der gesamte Exorzismus gefährdet. Jeder bleibt an seinem Platz.»
    In diesem Augenblick schrie ein Käuzchen. «Kiwitt, kiwitt, komm mit, komm mit!»
    «Wenn ein Käuzchen schreit, dann stirbt ein Mensch», flüsterte Else und presste die rechte Hand auf ihr Herz. Auch die anderen Weiber starrten mit schreckweiten Augen auf einen Baum am Waldrand, auf dem das Käuzchen saß und seine grausige Botschaft in die Welt kündete.
    Die Glenbäuerin brach in die Knie,

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