Teufelspfad
und erkundigte sich nach Colleen Keck. Ihr ging es offenbar gut. Sie war zwar wütender als ein nasses Huhn, weil sie nicht gehen durfte, aber sie war in Sicherheit und quicklebendig. Also war die Karte nicht ganz korrekt. Nur eine weitere dumme Drohung. Er bat Lincoln, besonders achtzugeben, und legte auf.
Er legte den Poststapel auf den Küchentresen und nahm sich ein paar Einweghandschuhe aus der Küchenschublade. Die beiden Jungs schauten ihm interessiert zu.
Die CD-Hülle war zugeklebt und offensichtlich persönlich ausgeliefert worden. Keine Briefmarke auf dem Umschlag, nichts, das zurückverfolgt werden konnte. Clever und ungemein gruselig. Er hasste den Gedanken, dass der Pretender wusste, wo sie wohnten, und sich jederzeit Zutritt zu ihnen verschaffen konnte.
„Hey, hat einer von euch in den letzten Tagen das Haus bewacht?“
Wells schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Wir sind Ihnen nach Forest City gefolgt. Verdammt langweilige Fahrt, das kann ich Ihnen sagen.“
„Was, die majestätischen Blue Ridge Mountains haben Ihnen nicht gefallen?“
„Ich ziehe die Rockies vor, Sir. Das sind wenigstens echte Berge. Besser noch, setzen Sie mich mit dem Fallschirm irgendwo in fünfundzwanzigtausend Fuß über dem Hindukusch ab. Das bringt richtig Spaß.“
Beinahe hätte Wells gelächelt. Aber nur beinahe. Und Rogers wirkte zum ersten Mal interessiert.
Söldner. Ehemalige Militärtypen, die jetzt wieder in den Staaten zurück waren. Professionelle, zähe Jungs, die auf seine Verlobte aufpassten. Er wusste nicht, ob er wütend oder dankbar sein sollte.
„Tja, während Sie uns gefolgt sind, hat der Mörder das hier in unseren Briefkasten gesteckt.“
„Das sollten wir melden, Sir“, sagte Wells und steckte die Hand in die Tasche.
„Eine Sekunde, okay? Lasst mich erst einmal sehen, was das überhaupt ist.“
Wells ließ sein Handy für den Moment stecken. Das war das Gute an Berufssoldaten: Sie konnten mit Befehlen umgehen.
Baldwin ging in die Vorratskammer und holte eine kleine Kiste heraus, die mit den Werkzeugen für eine rudimentäre forensische Untersuchung ausgestattet war. Als Erstes nahm er das Fingerabdruckpulver und einen Pinsel heraus, stäubte die CD-Hülle ein und verteilte das Puder auf der glatten Oberfläche. Nichts. Mit einem Skalpell schlitzte er das Klebeband auf, das die Hülle verschloss, und führte die Prozedur in der Innenseite noch einmal mit einem neuen Pinsel durch. Es wäre zu schön, auf einen Fingerabdruck zu stoßen … Wieder nichts.
Er nahm die CD heraus und las die Buchstaben. Sie ergaben keinen Sinn. Einfach nur Zahlen und Buchstaben, die ihm nichts sagten. Im Dechiffrieren war er eigentlich ganz gut, das war etwas, wofür er sich interessierte, aber hier sprang ihn rein gar nichts an, wo er ansetzen konnte. Er ließ die Kombination durch seine mentale Dechiffriermaschine laufen. Nichts.
Sorgfältig schrieb er die Buchstaben und Zahlen in sein Notizbuch ab und ging dann zu der Stereoanlage ins Wohnzimmer hinüber. Er legte die CD ein, drückte auf Play und regelte für den Fall der Fälle die Lautstärke herunter, um Taylor nicht zu wecken.
Die ersten Töne einer vertrauten Melodie erklangen, und Baldwin schüttelte den Kopf. Was für ein geschmackloser, dämlicher Versuch, eine Botschaft zu übermitteln.
Es war ein Lied von den Platters aus den Fünfzigern. Er hatte es noch nie in diesem Kontext betrachtet. Für einen Stalker war es perfekt.
„Oh yes, I’m the great pretender … I’m lonely, but no one can tell … you’ve left me to dream, all alone.“
Oh ja, der arme, einsame Thronfolger, der ganz alleine träumen musste. Mein Gott. Baldwin wurde wütend. Dieser verdammte Freak ging ihm langsam auf die Nerven.
„Was bedeutet das, Sir?“, fragte Wells. Er und Rogers waren ihm ins Wohnzimmer gefolgt und schauten ihn jetzt besorgt an. Baldwin merkte, dass er die CD-Hülle so fest umklammert hielt, dass sie gebrochen war. Ein kleiner Blutstropfen fiel von seinem Finger auf den Parkettfußboden, dann folgten weitere in immer kürzeren Abständen. Mist. Er hatte sich böse geschnitten.
Er drückte auf die Stopptaste, ignorierte das Angebot von Wells und Rogers, ihm zu helfen, und ging in die Küche. Dort nahm er ein Geschirrhandtuch aus einer Schublade und wickelte es um seine Hand. Zurück im Wohnzimmer guckte er, wie viel Blut auf den Fußboden getropft war, und fragte sich, wie viele Chancen er noch bekommen würde.
35. KAPITEL
Taylor hörte Stimmen,
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